Die Ikonen der Slimfit-Linken und ihre bösen Widersacher

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Was Christian Kern von Justin Trudeau lernen kann, hat er schon gelernt: Realpolitik smart verpackt und ansprechend inszeniert.

Inszenierung ist die halbe Miete. Und wenn man ein Guter ist, ist das natürlich auch gar kein Problem. Justin Trudeau, die transatlantische Ikone des Slimfit-Linksliberalismus, twitterte nach Donald Trumps Dekret, vorübergehend keine Menschen aus sieben muslimischen Ländern mehr aufzunehmen: „An diejenigen, die vor Verfolgung, Terror und Krieg fliehen, die Kanadier werden Euch willkommen heißen, unabhängig von Eurem Glauben. Diversity ist unsere Stärke.“
Hier spricht der Premier eines Landes, das nicht nur eines der strengsten Einwanderungsregime nach der Formel „Wir nehmen, wen wir brauchen“ hat, sondern auch restriktive Vorgaben bei der Flüchtlingsaufnahme, Obergrenze inklusive.

Donald Trump ist natürlich kein Guter. Und man kann bei dem, was er treibt, durchaus geteilter, auch gegenteiliger Meinung sein. Aber undemokratisch ist es nicht. Trump tut das, was er im Wahlkampf versprochen hat. Wofür er in einer freien, geheimen Wahl gewählt wurde. Und er tut das ausgesprochen konsequent.
Es erinnert – in der Anmutung, nicht der inhaltlichen Tragweite – ein wenig an Wolfgang Schüssel. Auch dieser stand von Beginn an unter Druck und in der Kritik und ging ähnlich forsch zu Werke.
Und einen Speed-kills-Kanzler haben wir mit Christian Kern, der transalpinen Ikone des Slimfit-Sozialismus, anscheinend auch jetzt. Genauer gesagt: Einen Speed-kills-Verhandlungskanzler. Denn wieso ausgerechnet in der Kalenderwoche 4 des Jahres 2017 auf einmal das große Reformverhandlungsfieber in Österreich ausgebrochen ist, weiß man nicht. Das zu klären, könnte später einmal eine Aufgabe für Zeithistoriker werden. Denn einen zwingenden Grund dafür gab es eigentlich nicht.

So gesehen wäre es auch nicht notwendig gewesen, dass der Bundeskanzler seinen Staatsbesuch in Israel absagt. Man hätte auch nach zwei Tagen Pause die Verhandlungen wieder aufnehmen können. Gerade für einen Staatsbesuch in Israel sollte man in Österreich doch Verständnis aufbringen. Aber vielleicht war Christian Kern auch gar nicht so erpicht auf (Instagram-)Fotos mit Benjamin Netanjahu. Denn auch der israelische Premier, nach allgemeiner Auffassung der politisch Korrekten auch kein Guter, twitterte an diesem Wochenende. Und zwar: „Präsident Trump hat recht. Ich habe eine Mauer entlang der südlichen Grenze Israels gebaut. Sie hat die illegale Immigration gestoppt. Großer Erfolg. Große Idee.“

Christian Kern gelingt indes etwas Ähnliches wie Justin Trudeau: Er darf, was andere nicht dürfen. Ende vergangener Woche kritisierte er Innenminister Wolfgang Sobotka, dass dieser zu wenig konkrete Maßnahmen ergreife, „um die Zahl der Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, zu reduzieren – und zwar deutlich zu reduzieren.“ Eine solche Bemerkung hätte Sebastian Kurz oder erst recht Heinz-Christian Strache vor nicht allzu langer Zeit noch Xenophobie-Vorwürfe eingebracht.
In der Sache hat der Kanzler freilich Recht. Es spricht auch für ihn, dass er – im Gegensatz zu manchem seiner Genossen – Realität vor Ideologie stellt. Inwieweit Christian Kern Inszenierung vor Inhalt stellt, wird sich zeigen. Stand jetzt lässt sich sagen: Es scheint ihm doch beides wichtig zu sein.

Dem Vernehmen nach hing eine Einigung zwischen SPÖ und ÖVP am Sonntag unter anderem an Wolfgang Sobotkas Weigerung, seine Unterschrift unter den Pakt zu setzen. Auch eine Form der Inszenierung – der Innenminister als Rudolf Nürnberger des Jahres 2017. Wobei auch das Verlangen von Christian Kern, dass alle Minister den koalitionären Restart-up-Pakt unterschreiben müssen, ungewöhnlich, wenn nicht seltsam anmutete. Sobotka scheint es jedenfalls durchaus Vergnügen zu bereiten, Kanzler Kern zu ärgern. Wobei die Aversion seit längerem auf Gegenseitigkeit beruht.
Wahrscheinlich lässt sich das alles auf einen Nenner bringen: Ob in Washington (Trump), Ottawa (Trudeau), Wien (Kern) oder Waidhofen an der Ybbs (Sobotka) – Inszenierung ist alles. Oder (männliche) Eitelkeit.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2017)

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