Wissenschaft im Eiertanz zwischen Weltoffenheit und Abschottung

Studierende im Hörsaal
Studierende im HörsaalAPA/HELMUT FOHRINGER
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Braucht es eine Willkommenskultur für ausländische Forscher? Klima und Perspektiven scheinen jedenfalls genauso wichtig wie die Finanzierung.

Hilfe, die Deutschen kommen! So lautete vor wenigen Jahren der Tenor der Rufe, die vor einer zunehmenden Germanisierung der heimischen Universitäten warnten. Nicht nur immer mehr Studenten drängten nach Österreich, auch immer mehr Professorenstellen würden von Deutschen besetzt. Nun zeigt eine Studie der Österreichischen Universitätenkonferenz (Uniko), dass – freilich in Relation zur Gesamtbevölkerung – mehr österreichische Forscher in Deutschland tätig sind als umgekehrt. Das gilt auch für andere Staaten.

Die Zahlen entlarven die einstige Reaktion also ein Stück weit als populistischen Beißreflex. Der so gar nicht in eine rot-weiß-rote Wissenschaftswelt passt, in der man sich mit Weltoffenheit als Wert profilieren will. Schließlich lautet das an heimischen Hochschulen viel gepriesene Schlagwort schon länger Internationalisierung. Die Wissenschaftswelt und damit auch der Wettbewerb unter Forschern seien global, heißt es. Und Österreich zu klein, um sich in den hoch spezialisierten Fachdisziplinen innerhalb der engen Landesgrenzen auszutauschen. Daher will man die besten Köpfe aus dem Ausland ins Land locken. Umgekehrt sollen Österreichs Forscher hinaus in die Welt ziehen – und mit wertvollen Erfahrungen wiederkommen. Das sieht jedenfalls die von Unis und Wissenschaftspolitikern unisono geteilte Vision vor.

Dagegen ist wenig zu sagen. Zumindest, solange die Rechnung aufgeht. Doch wie gewinnt man Koryphäen? Und wie hält man sie? Forscher bleiben dort, wo sie das beste – wissenschaftliche – Umfeld vorfinden: die besten Labors, die besten Kollegen, die besten Studenten. Das gilt in beide Richtungen, beim Kommen und beim Gehen. Landschaft und Kultur spielen für Spitzenleute wohl kaum eine Rolle. Bei ihren Entscheidungen geht es nicht um Mozartkugeln oder weiße Pferde.

Vor den Toren Wiens scheint ein Schlaraffenland für die Forschung entstanden zu sein: Das Institute of Science and Technology (IST) Austria bei Klosterneuburg glänzt nicht nur mit seinen neuen Gebäuden. Jeder spricht Englisch, die meisten Wissenschaftler kommen aus dem Ausland. Das internationale Karrieremodell des Tenure Track, bei dem sich Forscher vor ihrer Berufung erst bewähren müssen, war hier von Anfang an – gegründet wurde es vor rund zehn Jahren – Standard. Um Exzellenz von überall her anzuziehen, wurde das IST Austria finanziell besser und langfristiger ausgestattet als andere Wissenschaftseinrichtungen. Bedingungen also, von denen die – teilweise unter unkündbaren Altlasten stöhnenden – Unis nur träumen können.

Das Beispiel zeigt aber vor allem auch, dass es sich lohnt, in Wissenschaft zu investieren, damit gute Leute ins Land – und die eigenen wieder zurückkommen. Österreich hat hier in jüngster Zeit einige – begrüßenswerte – Anstrengungen unternommen. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) blieben 2016 stabil bei 3,07 Prozent. Nur Israel, Südkorea, Japan und Schweden weisen laut einem aktuellen OECD-Bericht höhere Werte auf.

Das zeigt aber wiederum, dass Geld nicht alles zu sein scheint. Es gilt, ein innovations- und wissenschaftsfreundliches Klima zu schaffen, in dem sich Neuberufene willkommen fühlen und in dem sie gerne arbeiten. Und in das heimische Forscher gerne wieder zurückkommen. Denn hier ist die Bilanz negativ: Derzeit verlassen mehr heimische Forscher das Land, als neue aus dem Ausland dazukommen. Und sie bleiben meist, weil sie bei ihren neuen Arbeitgebern attraktivere Karriereperspektiven vorfinden. Da sieht es für junge Forscher in Österreich schlecht aus: Sie hangeln sich allzu häufig von einem befristeten Anstellungsverhältnis zum nächsten weiter, bis die Kettenvertragsregelung sie aus dem System kickt.

So erklärt sich auch, dass manche Neuankömmlinge von außen eher als Bedrohung wahrnehmen denn als Bereicherung. Das zeigt auch, warum die Studie der Uniko überhaupt notwendig wurde. Eine solche sollte es eigentlich gar nicht geben müssen.

E-Mails an: alice.grancy@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2017)

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