Leitartikel

Wiener Cäsaren-Schmerzen

Michael Häupl
Michael HäuplAPA/GEORG HOCHMUTH
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Was Michael Häupl den Abschied schwer macht. Womit Maria Vassilakou in Erinnerung bleiben wird. Und warum Gernot Blümel so gern Pingpong spielt.

Auch ein Michael Häupl kränkt sich: In einem „Österreich“-Interview reagiert der Bürgermeister auf die Dauer-Post, die er von den Genossen Deutsch, Troch und Schmid öffentlich zugestellt erhält. Der Inhalt ist stets derselbe: Jedesmal, wenn ein Landeshauptmann zurücktritt (was zuletzt öfter vorkam) oder die SPÖ eine Wahl verliert (wie in Graz) oder manchmal auch einfach bloß so, fordern sie Häupl auf, seine Nachfolge zu regeln.

Einstige Ziehsöhne, sagt Häupl, würden hier „im Grenzbereich von Brutus“ agieren. Und er wünscht sich mehr Respekt. Nun sind die Herren Genossen überschaubar wichtig. Aber tatsächlich sagen sie laut, was einige hochrangige Funktionäre leise wiederholen: Es wäre Zeit. Sogar Häupl findet plötzlich, die Debatte an sich sei „nicht unkeusch“. Klingt nach Rückzug? Ein wenig. Aber man sollte sich im Wiener „Cäsar“ nicht täuschen. Und zwar nicht nur, weil Häupl wohl zu eitel ist, um auf Zuruf abzutreten. Sondern auch, weil er nicht kann. Wie will man die Zügel übergeben, die man nicht in der Hand hat, schrieb einmal Andreas Koller von den „Salzburger Nachrichten“. Da ist was dran. Denn die SPÖ hat mit, aber auch ohne Häupl ein Problem. Im sogenannten Richtungsstreit hört man zwar oft, dass dringend etwas anders werden soll. Nur was genau, weiß irgendwie keiner. Solange das aber unklar ist, sind die Rathaus-Roten in erster Linie das, was die Bundes-Roten gerade werden: eine stark personalisierte Partei. Das macht eine Machtübergabe gefährlich. Vor allem, wenn man mit der FPÖ gleichauf liegt. Zudem hängt die Richtung, in die es gehen soll (und damit die Person an der Spitze) auch von der Nationalratswahl ab. Kommt Blau-Schwarz, wird Wien den Anti-FPÖ-Bollwerk-Kurs fahren. Und nicht jenen, den sie gerade – manche nolens, manche volens – mit der Bundespartei eingeschlagen hat. Ein Stückchen nach rechts.

Mein linker, linker Platz. Das Rutschen nach rechts nutzen derzeit die Grünen. Nach dem VdB-Wahlkampf aufgewacht, besetzen sie, was links frei wird, etwa rote Themen wie die Mindestsicherung und bringen die SPÖ mit eher unrealistischen Ideen (am liebsten wollen sie die Mindestsicherung erhöhen) in Verlegenheit. Wobei auch den Grünen interner Streit bevorsteht. Maria Vassilakou wird aller Wahrscheinlichkeit nach als jene Stadträtin in die Stadtgeschichte eingehen, die den Weltkulturerbe-Titel für Wien verliert. Das finden nicht alle Grüne toll.

Und sonst in Wien so? Zu Neos und FPÖ muss man nicht viel sagen. Die sind sehr leise. Die FPÖ auch deshalb, weil sie so gern verreist. Laut ist in der Opposition nur die ÖVP. Aber die hat auch einen Innen- und einen Außenminister als Megafon. Da man einer Neun-Prozent-Partei selten zuhört, holt sich deren Chef Hilfe von „oben“: Gernot Blümel spielt mit der Bundes-ÖVP eine Runde Themen-Pingpong nach der anderen. Lange bevor Sobotka Einschränkungen beim Demonstrationsrecht forderte, hörte man Ähnliches von Blümel. Auch die Wien-Kritik von Kurz klingt vertraut. Das nächste Thema Blümels ist übrigens die Sonntagsöffnung. Dazu brauchte er Hilfe von Mitterlehner. Nicht so einfach. Der kann nämlich Häupls Cäsaren-Schmerzen ganz gut verstehen.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2017)

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