Donald Trumps Rendezvous mit der politischen Realität

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Der Präsident und seine Umgebung verbreiten den Eindruck einer Realsatire. Michael Flynns Rücktritt ist ein Weckruf: höchste Zeit für professionelle Arbeit.

Donald Trumps Vokabular ist gespickt mit Superlativen, und mit einem Superlativ kann seine Regierung bereits aufwarten. Noch sind nicht einmal alle Mitglieder vom Senat bestätigt, da hat der Präsident schon seine erste Schlüsselfigur verloren. Michael Flynn, der von Anfang an wegen seiner Kreml-Kontakte umstrittene Sicherheitsberater, hat nach 24 Tagen im Amt und kurz vor einem möglichen ersten internationalen Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz seinen Rücktritt erklärt. Dies ist ein historischer Rekord, selbst für den Job des obersten Sicherheitsexperten im Weißen Haus, traditionell ein Schleudersitz mit einer durchschnittlichen Amtsdauer von zweieinhalb Jahren.

Der neue US-Präsident muss sich wohl oder übel damit abfinden, dass die übliche Schonfrist von 100 Tagen für ihn keine Gültigkeit hat. Dabei hätte just der politische Newcomer sie bitter notwendig gehabt. Nachdem Trump den etablierten US-Medien zum Amtsantritt den Krieg erklärt hatte, sind sie darauf erpicht, der neuen Regierung penibel auf die Finger zu schauen und Unregelmäßigkeiten, Affären und Skandale aufzudecken. Dass die Trump-Regierung durch eine überzogene Politik, hastig vorbereitete Dekrete und offen zur Schau gestellte Interessenkonflikte eine Fülle an Material liefert, ist für Zeitungen und TV-Sender geradezu ein Glücksfall – und es schlägt sich nicht zuletzt in gesteigerten Auflagen und Quoten nieder.

Der Fall Flynn ist ein Paradebeispiel, welch fatale Dynamik eine falsche Personalwahl entfaltet, die sich durch eine professionelle Durchleuchtung der Vorgeschichte des Kandidaten leicht hätte vermeiden lassen. Der General galt als Moskaus Mann in Washington, und folgerichtig wollte er schon vor der Angelobung Trumps einen Deal mit dem Kreml einfädeln. Keine russischen Gegenmaßnahmen gegen die Ausweisung russischer Agenten aus den USA durch die Obama-Regierung und im Gegenzug die schrittweise Lockerung der US-Sanktionen gegen Russland: So lautete das Kalkül in einem Telefonat mit dem russischen Botschafter in den USA, das Flynn indes stets leugnete.

Die später gefeuerte interimistische Justizministerin, die Demokratin Sally Yates, informierte die Trump-Regierung früh über den Inhalt des routinemäßig von den Geheimdiensten abgehörten Gesprächs. Doch Trump und seine Berater schlugen die Warnung in den Wind und schickten stattdessen Vizepräsident Mike Pence, um den Sicherheitsberater zu verteidigen. Nachdem Flynn der offenkundigen Lüge überführt worden war, war der Putin-freundliche Hardliner selbst im Trump-Zeitalter der „alternativen Fakten“ und Parallelwelten in ultrarechten Onlinemedien nicht mehr tragbar.


Nach der schmählichen Niederlage gegen die Justiz in der Kontroverse um das Einreiseverbot hat die Affäre der Trump-Regierung einen weiteren schweren Rückschlag innerhalb kurzer Zeit zugefügt, was den Eindruck eines missratenen Starts nur verstärkt. Das „No-Drama-Obama“, das Motto der Vorgängerregierung, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Das Polit-Drama um den Rücktritt Flynns spielte sich während des Besuchs des kanadischen Premiers Trudeau im Weißen Haus ab, und die Dementis waren Stunden später schon nichts mehr wert. In Washington kommen Erinnerungen an die Nixon-Ära und die Instrumentalisierung von Lüge und Konspiration auf. Selbst konservative Kolumnisten spekulieren, wie die Präsidentschaft noch zu retten sei, und raunen von einem Amtsenthebungsverfahren in zwei Jahren.

Flynns jäher Sturz bietet eine Lektion für die Neulinge im Weißen Haus, die in Nebensächlichkeiten, Eifersüchteleien und Machtkämpfe verstrickt sind und so das Bild einer Realsatire abgeben, wie sie die Show „Saturday Night Live“ mit Verve auf die Spitze treibt – übrigens sehr zum Ärger des auf die TV-Shows fixierten Präsidenten. Bisher liefert er ja eher eine Seifenoper ab. Nach den Wahlkampf-Seifenblasen war sein Rendezvous mit der Realität hart. Nur mit zäher, seriöser Arbeit und durchdachter Politik abseits von Tweets und Memos kann Donald Trump das Management by Chaos hinter sich lassen und die Vorbehalte, die ihn begleiten, ausräumen. Die Frage ist freilich, ob ein 70-Jähriger – obendrein ein Narziss wie Trump – noch lernfähig ist.

E-Mails an:thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2017)

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