Studieren heißt auch arbeiten

Auf der einen Seite unerträgliche Studienbedingungen, auf der anderen kaum besetzte Hörsäle.

Freie Bildung für alle! Gegen diese Forderung der protestierenden Studierenden ist kaum etwas einzuwenden. Nur zu, wer Bildung sucht, kann aus einem weiten Spektrum wählen: Von der Schule über die Fachhochschulen und Universitäten bis zu den Institutionen der Erwachsenenbildung gibt es ein breites Angebot. Viele Angebote zahlt die Allgemeinheit, andere muss man selbst finanzieren, etwa am Wifi oder bfi.

Tatsächlich wollen die Demonstranten dieser Tage aber etwas anderes. Ganz oben auf der Wunschliste steht die Gratisbildung, etwa die Gratisbetreuung an den Universitäten. Auch diese ist zu haben. Schon die legendäre Wissenschaftsministerin der SPÖ, Hertha Firnberg (1970–83), gab die Devise aus, dass jeder studieren könne, was ihm oder ihr beliebt. Der Staat allerdings setzt Prioritäten. Er stattet Studien, in denen Zukunftschancen geortet werden, mit größeren Ressourcen aus als beispielsweise Orchideenfächer, die oft nur der eigenen Verwirklichung dienen.

Das Firnberg-Prinzip bestimmt auch heute noch die Universitätspolitik. In technischen und naturwissenschaftlichen Studien gibt es – trotz erfreulicher Zuwachsraten – weiterhin ausreichende Kapazitäten. Die Ankündigung von Wissenschaftsminister Johannes Hahn, mit einer besseren Beratung an den höheren Schulen die Maturanten zu dieser Schiene hinzuleiten, klingt nach einem eingefrorenen Posthornton. Zu oft schon haben die verantwortlichen Ressortchefs dieses Versprechen abgegeben, haben auch am Ausbau der Maturanten- und Berufsausbildungsmessen mitgearbeitet und umfangreiches Werbematerial zur Verfügung gestellt. Zudem veranstalten Jahr für Jahr die Technik-Unis und Technikfachhochschulen eigene Werbeveranstaltungen, besonders abgestimmt auf junge Frauen.

Aber die Jungen kommen nicht, zumindest nicht im gewünschten Ausmaß. In Österreich werden nach wie vor die Studien der Politologie, Publizistik und Psychologie gestürmt, so, als ob in diesen Berufsfeldern Jobchancen sonder Zahl warten würden. Die Studien an den Technik-Unis, die vor allem Unentschlossene lieber meiden, gelten als hart und schwer. Da fühlt man sich in einem als „weich“ verschrienen Fach schon eher zu Hause.

Studieren bedeutet Arbeit, in den technisch-naturwissenschaftlichen Studien ist sie noch ein gutes Stück intensiver. In einer Zeit, in der Arbeit als Zustand gilt, den man eher meiden soll, ist es kein Wunder, dass so manche den harten Studienfächern ausweichen. Hier ist nicht der Wissenschaftsminister allein gefordert, hier geht es um ein Bekenntnis der gesamten Öffentlichkeit (und mit ihr der Politik) zugunsten von Arbeit und Leistung. Die Realität schaut freilich anders aus: Mit der Forderung nach der Abschaffung der Leistungsbeurteilung in der Schule bis zur möglichen Flucht in die Frühpension bald nach dem Fünfziger wird eher dem Drückebergertum gehuldigt.

An den Universitäten prallen die beiden Positionen aufeinander. Auf der einen Seite die Studentenvertretung der Montan-Uni Leoben, die in einer Stellungnahme wenig Verständnis für die überzogenen Parolen ihrer demonstrierenden Kollegen aufbringt. Oder die Studierenden, die nun angesichts des besetzten (und verunstalteten) Audimax' ihrer Uni ins Wiener Konferenzzentrum ausweichen müssen. Und eben auf der anderen Seite die Protestgemeinde, die mehr Geld für die Universitäten fordert (ein durchaus berechtigtes Anliegen), zugleich aber jeden Realitätssinn verliert. So ist die kritisierte Umstellung auf das Bachelor- und Masterstudium beileibe keine österreichische Erfindung, vielmehr wird hier eine europäische Richtlinie umgesetzt. Da hätte es mehr Sinn, das Bachelorstudium an den österreichischen Unis sinnvoll und bedarfsgerecht auszugestalten. Und zwar unter Mitarbeit der betroffenen Studenten.

Es zeugte sicher von wenig Fingerspitzengefühl, dass Minister Hahn wieder von den – in der Koalition mit der SPÖ unrealistischen – Studiengebühren sprach und damit die Demonstranten erst richtig aufbrachte. Gleichzeitig ist es wenig hilfreich, wenn sich jetzt die Regierungsspitze selbstgefällig zurücklehnt und den gerade erst für Brüssel nominierten Hahn allein im Regen stehen lässt. Die Finanzierung der Unis ist ein allgemeines Problem. Und lediglich der Hinweis, dass an den Technik-Unis Studierende mit offenen Armen empfangen werden, ist zu wenig. Man sollte mehr über die dort lohnende Herausforderung des Studierens und in weiterer Folge über lohnende Jobchancen sprechen.


erich.witzmann@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2009)

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