Irrsinn in Grün

Keine einfache Zeit für Maria Vassilakou.
Keine einfache Zeit für Maria Vassilakou.Die Presse
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Die Stimmen von 18 Grün-Partei-Funktionären sollen ein großes, privates(!) Bauprojekt verhindern? Kann bitte jemand diese Partei wieder in den demokratiepolitischen Kindergarten zurückschicken?

Die folgenden Sätze sind leider bitterer Ernst: Ausgerechnet die Wiener Grünen-Chefin, im Hauptberuf Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin, macht sich für den Bau eines Hochhauses mit Luxuswohnungen und für die Umgestaltung eines alten Freizeitareals in eine schicke Eislauf-Lounge mitten in der Wiener Innenstadt stark.

Einst hat der Staat das Grundstück viel zu günstig an einen SPÖ-nahen Bauträger verkauft, später hat das Projekt ein finanzstarker Investor übernommen. Nun ging der mit viel PR, Freunden in Boulevardmedien und Lobbying an die logischerweise umstrittene Umsetzung. Logisch deswegen, da es in Wien eine neurotische Ablehnung von moderner Architektur und hohen Bauten gibt. Während freie Plätze und große Teile der Innenstadt nicht nur zur Weihnachten häufig aussehen wie ein Historismus- und Kitsch-Schlumpfhausen, soll modern und großstädtisch nur außerhalb gebaut werden, so das Dogma. Sowohl bei Wien-Mitte als auch beim Museumsquartier wurde konsequent jede mutige bauliche Signalsetzung verhindert. Die einen argumentieren mit dem Status Weltkulturerbe, die anderen fürchteten um den Blick von ihrem Balkon. Tatsächlich gäbe es im konkreten Fall sicher klügere architektonische Varianten als die geplante, und natürlich wird der Bau viel klobiger ausfallen als auf den weichgezeichneten PR-Plänen des Bauherrn. Nur weil einem die Phalanx aus Wutbürgern, FPÖ-Bezirkspolitikern und notorischen Architekturverhinderern nicht gefällt, heißt das noch lang nicht, dass Projekt und Investor gut und vernünftig sind.


Die Intrige

Nichtsdestoweniger hielt Mary Vassilakou dem Projekt die Stange und erreichte auf einem Landeskongress dafür eine breite Mehrheit. Doch es formierte sich interner Widerstand, und unter Führung des Grätzel-Machiavelli Wolfgang Zinggl wurde es so intrigant, dass sogar die alten Wiener ÖVPler neidisch werden müssten. Mit einer statutengemäßen Abstimmung wurden 1400 Wiener Grün-Partei-Funktionäre befragt, ob sie dem Hochhausprojekt zustimmen, das in weiterer Konsequenz eben den Verlust des teilrelevanten Unesco-Welterbestatus bedeuten könnte. Mit nur 18 Stimmen Unterschied ging es gegen Vassilakous Pläne aus. Den Drahtziehern der Aktion sind Eislaufverein, Hotel und Hochhaus wohl egal, sie können sich so elegant ihrer Parteichefin entledigen oder sie wenigstens massiv schwächen.

Dass Parteimitglieder über ein Bauprojekt eines Privaten entscheiden dürfen, ist absurd. Nur bei den napoleonischen Grünen scheint es ernsthaft Menschen zu geben, die glauben, Parteimitglieder hätten mehr Stimmkraft als normale Bürger oder gewählte Volksvertreter. Wäre das alles nicht so lächerlich, müsste man diese Aushebelung von Demokratie einmal juristisch genauer unter die Lupe nehmen – und zwar vom Staatsanwalt.

Was passiert? Vassilakou müsste zurücktreten – wird sie aber nicht, weil sie die Intrige erkannt hat. Ihre nicht sehr mutigen Gegner, die Klubobmann David Ellensohn gut kennen, werden sich aber auch nicht aus den Löchern trauen. Unsere volle Schadenfreude gilt der SPÖ und Michael Häupl, die sich mit diesen Dilettanten ins Bettchen gelegt haben.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2017)

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