Leitartikel

Eine Schulreform nach Kafka

INFOVERANSTALTUNG DER WIENER PFLICHTSCHULLEHRERVERTRETER ZU 'AUTONOMIEPAKET': MARESCH
INFOVERANSTALTUNG DER WIENER PFLICHTSCHULLEHRERVERTRETER ZU 'AUTONOMIEPAKET': MARESCHAPA/HANS KLAUS TECHT
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Die geplante Reform zur Schulautonomie dürfte eine Mischung aus Mogelpackung und Sparpaket darstellen. Kein Wunder, die Grundsatzprobleme der Schulen sind ungelöst.

In kaum einem Bereich wurde in den vergangenen Jahrzehnten so viel herumgedoktert wie im Schulbereich. Jeder Lehrer, jeder Schuldirektor reagiert mit Panikattacken auf das Wörtchen „Reform“. Man könnte glauben, durch eine solche würden Abläufe leichter, die Bürokratie weniger und die Betroffenen hätten etwas davon. Also im konkreten Fall die Schüler. Doch die Reformen der jüngsten Bildungsministerinnen wurden anders wahrgenommen – also eher so: Die Abläufe wurden komplizierter, die Bürokratie mehr, die Zeit für die Schüler weniger. Vielleicht versteht die Mehrzahl der Direktoren und Lehrer das nicht und schließt sich daher der mächtigen Lehrergewerkschaft an, die nur ein wichtiges Anliegen hat: nichts bis wenig zu verändern.

Um hier nicht falsch verstanden zu werden: Unsere Welt ist gerade enorm im Umbruch. Wenn die Gewerkschaft glaubt, Arbeitsbedingungen von Lehrern dürften sich, im Gegensatz zu fast allen anderen Berufen, nicht verändern, spendieren wir gern ein paar Flugtickets nach Nordkorea. Dort ändert sich garantiert nichts. Doch nur weil die Gewerkschaft gegen einen ist, heißt das noch lange nicht, dass Bildungsministerin Sonja Hammerschmid mit ihren Plänen richtig liegt. Das Wichtigste: Wenn Schuldirektoren Lehrer, die schlechte Leistungen liefern, nicht verabschieden dürfen, ist das keine echte Autonomie. Mehrere Schulen in Cluster zu zwingen, in denen es dann einen Oberdirektor gibt, der direkt einem Bildungsdirektor unterstellt wird, der seinerseits von Bildungsressort und dem jeweiligen Bundesland gemeinsam dirigiert wird, klingt das nicht nur nach Kafka. Und die angeordnete unregelmäßige regelmäßige Unterrichtskooperation innerhalb der Cluster deutet auf verordnetes Chaos. Und wirkt nach einem als Reform getarnten Sparpaket. Ein solches kann und muss man angesichts der Staatsfinanzen auch verabschieden, aber warum muss man die Betroffenen mittels Cluster-Getue für blöd verkaufen?

Das Bildungssystem leidet an ganz anderen Problemen: erstens an der Weigerung der Gewerkschaft, das ein oder andere Privileg aufzugeben. Zweitens an der fehlenden Bereitschaft der Schul-Bürokraten, sich als Serviceeinrichtung für Lehrer, Schüler und Eltern zu verstehen und nicht als heimliche Schul-Regierung. Drittens muss geklärt werden, wer zuständig für Schüler und Lehrer ist: Bund oder Länder. Zusammen wird das nichts. Viertens wird man das Problem mit der stetig wachsenden Zahl von Schülern mit schlechten Deutschkenntnissen weder mit der Gesamtschule, die nicht so heißen darf, noch mit Schönreden lösen, sondern mit verpflichtenden Deutschkursen. Ob Direktoren künftig Cluster-Manager heißen, Landesschulräte oder Direktoren ist unerheblich und irrelevant für Schüler und deren Eltern, die die ganze Party mittels Steuern finanzieren. Apropos Eltern: Warum sich sowohl die Bildungsministerin als auch ihr Regierungsbuddy, Staatssekretär Harald Mahrer, nicht um die Einführung von Herbstferien kümmern, versteht keiner. Oder ist die Lösung eines einfachen Alltagsproblems von Eltern zu banal für Cluster-Minister

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2017)

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