Leitartikel

Im Strudel des Dilettantismus und der Inkompetenz

Donald Trump.
Donald Trump.(c) REUTERS (YURI GRIPAS)
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Nach vier Monaten könnte es um die Präsidentschaft Donald Trumps kaum schlechter stehen. Der Umgang mit dem Ex-FBI-Chef Comey ist ein Fallbeispiel.

Donald Trump bereitet sich gerade auf seine erste Auslandsreise als Präsident vor. Bei den Scheichs in Saudiarabien am Wochenende, an der Klagemauer in Jerusalem, beim Papst im Vatikan, bei der Nato in Brüssel und beim abschließenden Treffen der wichtigsten westlichen Führer auf Sizilien lauert auf den außenpolitisch wie diplomatisch unerfahrenen früheren Business-Zampano eine ganze Menge an Fauxpas – insbesondere im politischen Minenfeld des Nahen Ostens. Als ob dies nicht ausreichen würde, seinen Stab in Angst und Schrecken zu versetzen, tritt Trump den Trip mit tonnenschwerem Gepäck an. Sollte er glauben, die innenpolitischen Turbulenzen, das Krisengerede und die Spekulationen in Washington hinter sich lassen zu können, gibt er sich indes einer großen Illusion hin. Das gelänge ihm nicht einmal mit einem Befreiungsschlag, einer Rochade im Weißen Haus.

Nicht nur, dass Buchmacher längst Wetten auf seinen vorzeitigen Abgang aus dem Weißen Haus annehmen und seine Quoten beständig sinken, dass seine Umfragewerte auf einen Tiefststand für einen Neopräsidenten gepurzelt sind, dass ihn die Late-Night-Shows verhöhnen. Schlimmer noch: Er muss sich die Häme des russischen Präsidenten und seines Außenministers gefallen lassen, die ihn bei der Visite Sergej Lawrows in Washington nach den Regeln der Kunst vorgeführt und obendrein noch Fotos publiziert haben, die eine kumpelhafte Atmosphäre vermitteln. Dass er nebenbei Geheimnisse ausplauderte, die der israelische Geheimdienst den US-Verbündeten unter dem Siegel der Vertraulichkeit zukommen ließ, macht die Angelegenheit zu einer Staatsaffäre.

John McCain, der republikanische Veteran im Senat und Intimfeind des Präsidenten, nahm nun sogar das große W-Wort in den Mund – den Vergleich zum Watergate-Skandal der Nixon-Ära, den Referenzpunkt für den Niedergang einer US-Regierung, wie er in der Hauptstadt oft und gern kursiert. Nicht, dass es schon so weit wäre mit einem Impeachment, einem Amtsenthebungsverfahren. Doch die Verdachtsmomente bei der Russland-Connection des Trump-Teams, die Mauscheleien um ein Ende der Ermittlungen, der Druck und der Versuch der Einflussnahme auf die Justizbehörden könnten sich zu einer echten Bedrohung für Donald Trump auswachsen.

Noch wittert die Mehrheit der Trump-Wähler eine Verschwörung der Ostküstenelite. Die Begleitumstände, die zum Rauswurf des FBI-Chefs James Comey geführt haben, sind jedoch der Stoff, aus dem politische Epen in Washington gemacht sind – ein Fallbeispiel, das den freien Fall Trumps beschleunigen könnte. In seinen Memos notierte Comey am Valentinstag von den Begehrlichkeiten des Präsidenten, die Untersuchung gegen den damaligen Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen und Journalisten wegen angeblichen „Geheimnisverrats“ einzusperren. All dies zeugt vom Demokratieverständnis eines Autokraten, der mit Lügen, Halbwahrheiten und „alternativen Fakten“ operiert – und bis dato damit durchgekommen ist.


Praktisch seit dem ersten Tag ist die Regierung Trump im Krisenmodus, und der Mitarbeiterstab ist meist vergeblich um Schadensbegrenzung bemüht. Die Regierung versinkt im Strudel des Dilettantismus und der Inkompetenz. Nach nicht einmal vier Monaten könnte es um die Präsidentschaft Trumps kaum schlechter stehen: Mit den Mainstream-Medien liegt der Präsident im Dauerclinch, das Vertrauen der US-Geheimdienste ist zerrüttet, im Weißen Haus regiert das Chaos, die Mitarbeiter sind zutiefst verunsichert, bei den republikanischen Parteifreunden schwindet die Unterstützung. Und selbst die Glaubwürdigkeit von Vizepräsident Mike Pence oder Sicherheitsberater H. R. McMaster, die Trump düpiert hat, ist angeschlagen.

Es rächt sich jetzt, dass der Präsident von Anfang an den Kleinkrieg mit den Geheimdiensten und den etablierten Medien gesucht hat. Die Geringschätzung der Gewaltenteilung und die Verachtung gegenüber der Justiz fallen ihm auf den Kopf. Donald Trump, ohnehin bis zum Anschlag gereizt, brauchte jetzt dringend ein Ablenkungsmanöver. Eine Umarmung des Papstes genügt dafür nicht, schon eher ein Militärschlag.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2017)

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