Leitartikel

Spart euch doch einfach die traditionellen Wahlprogramme

BK KERN SPRICHT ÜBER DEN PLAN A
BK KERN SPRICHT ÜBER DEN PLAN AAPA/BARBARA GINDL
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Wir wollen wissen, wie die kommende Regierung die Blockadestrukturen ändern will. Bloße Überschriftensammlungen interessieren uns nicht mehr.

Die praktisch schon geschiedene Regierung hat uns zwar neulich versichert, die restlichen Wochen noch intensiv arbeiten zu wollen, aber so wirklich glauben können wir das wohl nicht mehr. Gut, Herr Kern hat die Bundesbahn noch schnell für ein paar weitere Jahre vor Wettbewerb geschützt. Aber das ist es wohl nicht, was wir unter Reform verstehen. Bei der von den Sozialpartnern ohnehin schon zur Unkenntlichkeit entstellten Gewerbereform dagegen hakt es ebenso wie bei der Bildungsreform.

Macht aber nichts. Die Karten werden im Herbst ohnehin neu gemischt. Auf die paar Monate kommt es nach mehreren Jahrzehnten des Reformstillstands jetzt auch nicht mehr an. Freilich: Was passiert dann? Das, muss man leider sagen, wissen wir einfach nicht. Denn die drei Mittelparteien, von denen wohl zwei in der nächsten Regierung vertreten sein werden und eine mit hoher Wahrscheinlichkeit den Bundeskanzler stellen wird, halten sich mit Informationen darüber äußerst nobel zurück.

Wir kennen zwar die Überschriftensammlung namens Plan A des SPÖ-Kanzlers und wissen, dass das jedenfalls noch nicht die ganz große Reform ist, die dieses Land weiterbringen könnte. Aber die Herren Kurz und Strache halten sich aus wahltaktischen Gründen noch äußerst bedeckt. Sebastian Kurz hat, wie man hört, konkrete Vorstellungen von einem Wirtschaftsprogramm. Aber bisher ist noch nicht viel mehr geschehen, als dass man im Hause ÖVP das Türschild ausgetauscht hat. Auch die FPÖ, die seit vielen Monaten an ihrem Reformprogramm feilt, hält es eisern unter Verschluss.

Dabei werden uns alle diese Programme, das können wir jetzt schon sagen, nicht wirklich überraschen. Über das, was im Plan A steht, und über das, was bisher aus dem FPÖ-Programm durchgesickert ist, reden wir im Prinzip seit vielen Jahrzehnten. Die sinnvolle Zusammenlegung der Krankenkassen etwa war schon ein alter Hut, als Jörg Haider damit vor 20 Jahren hausieren ging. Es gibt keine im Parlament vertretene Partei, die das nicht zumindest einmal schon gefordert hätte.

Das Problem, das wir in dieser Republik haben, ist ja nicht, dass niemand Ideen hätte, wie man das Land weiterbringt. Das Problem ist, dass man diese Ideen wegen der gewachsenen Beton- und Verhinderungsstrukturen nicht umsetzen kann.


Man kann das jetzt auch nicht an Personen festmachen. Es wäre ja abartig zu glauben, wir seien in den vergangenen 30 Jahren von lauter unfähigen Antireformern regiert worden. Aber selbst starke Persönlichkeiten stoßen sehr schnell an ihre Grenzen, wenn sie in die zu groß gewordenen Machtbereiche von Gewerkschaft, Kammern, Bünden und Bundesländern, um die größten Betonblöcke zu nennen, hineinregieren.

Das wird möglicherweise auch Herr Kurz sehr schnell zur Kenntnis nehmen müssen. Gut, seine fraktionierte Partei hat er einmal auf Linie gebracht. Aber so ein Parteistatut ist im Fall des Falles sehr schnell wieder umgeschrieben. Und der Rest des Verhindererblocks gedeiht ja in alter Pracht und Herrlichkeit.

Wer etwas für das Land tun will, der liefert uns jetzt also nicht die gewohnten altbackenen Überschriftensammlungen ab, sondern erklärt, wie er das Machtgefüge im Staat wieder ins Lot zu bringen gedenkt. Also, wie er eine saubere Kompetenztrennung zwischen Bund und Ländern auf die Reihe bringt, wie er die Sozialpartner auf ihre angestammte Rolle, in der sie ja gute Arbeit leisten, zurückführt, und wie er per Wahlrechtsänderung, die die Listenerstellung demokratisiert, das Parlament von der Funktionärs- wieder zur Volksvertretung macht. Und sagt natürlich dazu, wie er die dafür notwendigen Zweidrittelmehrheiten zu bekommen gedenkt.

Wenn das gelingt, dann ist die Abarbeitung der traditionellen Wirtschaftsprogramme nur noch ein Klacks. Wir warten also auf genau den vorher skizzierten strukturellen Umbau. Auf programmatische Überschriftensammlungen ohne Realisierungschance sind wir, ehrlich gesagt, nicht mehr neugierig.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2017)

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