Nein zu Steueroasen, aber der Steuerwettbewerb muss bleiben

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Themenbild: Steuerwettbewerb(c) imago/ZUMA Press (Jan Scheunert)
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Manche Politiker hoffen offenbar, mit dem Kampf gegen die Steueroasen auch den Wettbewerb um möglichst geringe Steuern abschaffen zu können.

Als Arbeitnehmer könnte man neidisch werden. Laut EU-Kommission bezahlte Apple im Jahr 2014 auf seine europäischen Gewinne genau 0,005 Prozent Steuer. Das sind umgerechnet auf einen Gewinn von 100.000 Euro gerade einmal fünf Euro. Ein Angestellter, der in Österreich 100.000 Euro im Jahr verdient, führt davon 38.383 Euro an den Staat ab (Lohnsteuer und Sozialversicherung). Eine österreichische Firma, der am Jahresende 100.000 Euro bleiben, zahlt 25.000 Euro an Steuern (plus noch einmal 27,5 Prozent, wenn sie den Gewinn an die Gesellschafter ausschüttet).

Fair ist etwas anderes, und deshalb ist der Kampf der EU gegen die Steuertricksereien der internationalen Unternehmen zu begrüßen. Es kann nicht sein, dass ein Konzern mit Gewinnen in Milliardenhöhe weniger Steuern bezahlt als ein kleiner Elektriker in Niederösterreich. Und es kann auch nicht sein, dass sich Staaten in Europa mit intransparenten Regelungen oder nicht vollzogenen Gesetzen einen Vorteil vor anderen verschaffen. Auch Liechtenstein, dessen Wirtschaftspolitik einst einzig darauf ausgerichtet war, eine kleine, feine Steueroase im Herzen Europas zu sein, hat mittlerweile seine Gesetze angepasst und erfüllt nun alle Vorgaben der OECD.

Allerdings scheinen einige Mitgliedstaaten der Union zögerlich, wenn es um das Stopfen von Steuerschlupflöchern geht. Das kann man kritisieren – oder in bestimmten Bereichen erklären. Denn offenbar versuchen manche Politiker, den berechtigten Kampf gegen Steueroasen dafür zu nützen, generell den Steuerwettbewerb in Europa abzuschaffen und damit ihre nationale Hochsteuerpolitik abzusichern.

Man wirft Irland beispielsweise vor, ein Steuerparadies zu sein, weil das Land Unternehmensgewinne mit lediglich 12,5 Prozent besteuert, während es im EU-Schnitt 22,1 Prozent sind. Freilich war nur mit diesem Steuersatz das irische Wirtschaftswunder möglich, weil man so enorme Investitionen – vor allem aus den USA – in ein Land bringen konnte, das sonst wenig zu bieten hat (wir verteidigen hier ausdrücklich nicht die Absprachen Irlands mit Konzernen wie Apple, die zu dem eingangs erwähnten niedrigen Steuersatz geführt haben und die mit Recht von der EU als illegale staatliche Beihilfen eingestuft wurden).

Österreich hat einst nichts anderes getan, als es 2005 die Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent gesenkt hat. Der Steuervorteil weilte damals freilich nur kurz, weil Deutschland umgehend nachzog. Heute zahlen Unternehmen bei unserem nördlichen Nachbarn 29,7 Prozent Gewinnsteuern, 1995 waren es noch 56,8 Prozent. Und es war ausgerechnet ein sozialdemokratischer Finanzminister (Ferdinand Lacina), der 1993 die stark steigende Vermögensflucht aus Österreich mit der Ermöglichung von steuerschonenden Privatstiftungen beendete (und nebenbei noch viel Kapital reicher Ausländer ins Land holte). Würde es den Steuerwettbewerb nicht geben, würden Firmen in Deutschland wahrscheinlich noch immer 56,8 Prozent Steuer bezahlen, und der Spitzensteuersatz in Österreich läge weiterhin bei 62 Prozent, wie das bis 1989 der Fall war.


Ganz nebenbei zwingt ein geringerer Steuersatz Staaten dazu, etwas verantwortungsbewusster mit dem Geld ihrer Bürger und Unternehmen umzugehen. Das würde gerade Österreich nicht schaden, das mit einer Steuer- und Abgabenquote von 43,3 Prozent zu den Hochsteuerländern in Europa zählt und dennoch mit dem Geld nicht auskommt. Der neue ÖVP-Chef, Sebastian Kurz, hat bereits angekündigt, in erster Linie durch Einsparungen die Abgabenquote auf unter 40 Prozent senken zu wollen.

Man wird sich in der EU auf Mindeststandards bei der Steuergesetzgebung festlegen müssen, aber man muss es am Ende den einzelnen Staaten überlassen, wie sie die Tarife gestalten. Ähnlich wie in den USA, wo jeder Bundesstaat zusätzlich zu den nationalen Steuern eigene Abgaben einhebt – oder auch nicht, wie etwa South Dakota oder Texas, wo Privatpersonen und Firmen überhaupt keine Steuern bezahlen. Dafür muss man eben dort leben . . .

E-Mails an:norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2017)

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