Leitartikel

Von Macron bis Kurz: Es kommt Bewegung rein

Sebastian Kurz.
Sebastian Kurz. (c) imago/Andreas Schaad
  • Drucken

Ein bislang eher scheel angesehener Trend ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen: die ganz auf die Führungsperson ausgerichtete Bewegung.

Bevor Parteien Bewegungen wurden, gab es die Modeerscheinung der Millionäre in der Politik. Silvio Berlusconi in Italien. Andrej Kiska in der Slowakei. Andrej Babiš in Tschechien. Oder Frank Stronach in Österreich. Berlusconi war immerhin mehrfach Ministerpräsident. Kiska ist nach wie vor Staatspräsident. Babiš war bis vor Kurzem Finanzminister. Nur Frank Stronachs Abenteuer in der Politik ist zu Ende, ohne dass er irgendeinen Eindruck hinterlassen hätte. Außer einen schlechten bei TV-Auftritten. Es kommt eben nicht darauf an, wer was macht. Sondern wie. Frank Stronach, in der Wirtschaft höchst erfolgreich, fehlten für die Politik letztlich die Substanz, die Konsequenz und die Menschenkenntnis. Wie bereits zuvor bei seinem Fußball-Engagement.

Aber immerhin: Für 5,73 Prozent bei der Nationalratswahl 2013 hat es gereicht. Sie sind nun wieder zu haben. Mutmaßlich werden sich die mit dem Team Stronach am nächsten verwandten Parteien, die Kurz-ÖVP und die Strache-FPÖ, diese untereinander aufteilen. Der Rest geht (wieder) an die Nichtwähler-Gruppe.

Man wird solche Phänomene auf dem heute so volatilen Wählermarkt, wo die Bindung an die traditionellen Lager zusehends schwindet, wohl noch öfters erleben. Die ÖVP versucht dem entgegenzusteuern, in dem sie sich gerade neu erfindet – als Bewegung eben. Die SPÖ versucht es wieder einmal als Kanzlerwahlverein. Immerhin hat sie nun einen, mit dem sie das auch machen kann.

Und die SPÖ bringt auch Bewegung ins Parlament – seit gestern setzt sie das freie Spiel der Kräfte gegen die ÖVP ein. Im ersten Fall allerdings auch gegen die politische Vernunft: Es gibt Geld für die Unis, aber keine Zugangsbeschränkungen – dabei stehen diese sogar im Plan A. Damit wird nachhaltig kein Problem gelöst.

Im Gegensatz zum Team Stronach hatten die Neos die Substanz, die Konsequenz und auch patentes Personal. Auch sie hatten 2013 ein politisches Bürgerbeteiligungsprojekt auf die Beine gestellt, eine Protestpartei mit guten Manieren, und waren knapp hinter dem Team Stronach auf Platz fünf in den Nationalrat eingezogen. Aber auch für die Neos ist es keineswegs gewiss, ob sie das wiederholen können. Wobei die Chancen dafür zuletzt doch gestiegen sind: Die nun als rechter wahrgenommene Kurz-ÖVP lässt Platz auf der liberalen bis linken Seite des bürgerlichen Spektrums. Und die wieder deutlicher nach links verschobenen Grünen ebenso.

Die Grünen könnten in Sachen Volatilität diesmal die Trendsetter sein. Und sogar mit drei Listen antreten. Den herkömmlichen Grünen, den Jungen Grünen (gemeinsam mit der KPÖ) und einer Liste Pilz mit namhaften Grünen, die keinen Platz bei den herkömmlichen Grünen mehr gefunden haben. Pilz kokettiert jedenfalls mit so einer Bewegung, ob es tatsächlich dazu kommt, wird man sehen. Im Falle des Falles hätte Kanzler Kern einen weiteren Koalitionspartner zur Verfügung. Es sei denn, die grünen Listen marginalisieren sich gegenseitig. Da ist dann vom Nullsummenspiel bis zum Ende der grünen Bewegung im Parlament alles möglich.

Schon vor Jahrzehnten neu erfunden hat sich die FPÖ. Die biedere nationalliberale Honoratiorenpartei wurde unter Jörg Haider zu einer ganz auf die Führungsperson zugeschnittenen populistischen Bewegung – und blieb es dann auch unter Heinz-Christian Strache. Haider hatte schon in den Neunzigern einmal das FPÖ-Logo verbannt – die Partei sollte nur noch als F-Bewegung wahrgenommen werden. Nichts Neues unter der Sonne also. Die F wurde dann aber recht rasch wieder zur FPÖ.

Ob der Trend zur Bewegung mit einer mehr oder weniger charismatischen Figur an der Spitze anhält, wird sich zeigen. Emmanuel Macron ist die diesbezügliche Benchmark. Aber auch Donald Trump hat die Republikanische Partei nur als Vehikel für seine ganz auf ihn zugeschnittene Bewegung gebraucht. Hier schließt sich übrigens der Kreis. Donald Trump ist bekanntlich auch Millionär. Und genau genommen haben ja auch Berlusconi und Co. Bewegungen unter ihren Führung gegründet.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.