Neben unzufriedenen Grünen darf sich auch die ÖVP über das Auftauchen von Peter Pilz im Wahlkampf freuen. Aber sie sollte sich nicht zu früh freuen.
Auf dem Reißbrett sieht die Sache so aus: Peter Pilz wird den Grünen Stimmen wegnehmen. Und auch Wähler, die zuletzt die Grünen gewählt haben, nun aber Christian Kerns SPÖ wählen wollten, an sich binden. Dazu eventuell noch ein paar Nichtwähler. Im Idealfall gehen sich vier Prozent plus aus.
Für eine Mehrheit links der Mitte wäre das ein Nullsummenspiel. Und so hat Peter Pilz dann auch angekündigt, rechte Wähler, freiheitliche Wähler, gewinnen zu wollen – mit FPÖ-Gemeinderäten an seiner Seite und einem kantigen Anti-Islamismus-Kurs. Auch Pilz' Diktum, er wolle „die Heimat Europa verteidigen“, spielt da hinein. Mehr hat es nicht gebraucht, und Pilz galt seinen alten Gesinnungsfreunden als Rechter.
Was am Dienstag dann bei der Präsentation seiner Liste zu sehen und zu hören war, bestätigte diesen Eindruck allerdings nicht. Da hat Peter Pilz einmal stark links geblinkt. Als Mitstreiter präsentierte er neben einer Sprecherin des Frauenvolksbegehrens und einem Konsumentenschützer den bisherigen Sozialdemokraten und Volkshochschuldirektor Sebastian Bohrn Mena, der unlängst in einem „Presse“-Gastkommentar („Genosse Kanzler, hast Du die toten Kinder gesehen?“) mit der Flüchtlingspolitik von Kanzler Christian Kern abgerechnet hat.
Das kann dann noch heiter werden bei der Liste Pilz, der bei den Grünen mit Sätzen wie „Ich will so wenige Flüchtlinge wie möglich. Ich stehe nicht mit einer Kerze an der Südgrenze und freue mich über jeden, der kommt. Das ist doch Unsinn“ in Ungnade gefallen ist.
Am kommenden Freitag will Peter Pilz dann weitere Mitstreiter präsentieren. Bleibt er dabei seiner linken Linie treu, dann können ihm bisherige Grüne und Fast-Rote ruhigen Gewissens ihre Stimme geben. Für eine linke Mehrheit ist es aber wie gesagt ein Nullsummenspiel.
Macht Pilz hingegen seine Ankündigung wahr, sich auch um bisherige freiheitliche Wähler zu kümmern, dann kann er das aufbrechen. Mit dem Risiko, dass sich die linken Wähler dann wieder angewidert abwenden. Und bisherige FPÖ-Wähler bei Sebastian Kurz einen Zwischenstopp einlegen und dort verharren.
Nicht so einfach also. Taktisch betrachtet. Aber Peter Pilz, auch ein Getriebener seiner selbst, wird darauf letztlich wohl nicht allzu viele Gedanken verschwenden, sondern einfach das machen, was er für richtig hält. Das Programm ist ja eigentlich ohnehin er: der Aufdecker, der Unbestechliche, dessen Robespierre'sche Facette durch seine Fähigkeit zu Humor und (Selbst-)Ironie gemildert wird. Der politische Spieler, der zwischen Ideologie und Pragmatismus hin- und hersurft, wie es ihm gerade passt. Der Einzelkämpfer gegen das System. Die Ein-Mann-Bewegung gegen den Altparteienstaat. Ein wenig ein Jörg Haider also – ohne die Belastung der elterlichen NS-Vergangenheit, die dieser bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu relativieren und rechtfertigen versuchte.
Ein Gewinn für den Wahlkampf 2017 ist Peter Pilz allemal. Ein mit allen Wassern gewaschener Homo politicus, dem in jüngster Zeit auch das Verdienst zukam, Kritik an den Auswüchsen des politischen Islam in Kreisen salonfähig gemacht zu haben, die zuvor aus falsch verstandener Toleranz lieber weggesehen oder sich um eine Meinung gedrückt haben. Wo andere noch Ideologen waren – nicht zuletzt bei den Grünen –, war Pilz schon Pragmatiker.
Licht und Schatten begleiten seine investigativen Qualitäten. Er hat vieles ans Licht gebracht, aber auch oft mit Kanonen auf Spatzen geschossen – und mitunter waren nicht einmal Spatzen da. Aber er hat hier stets persönliches Risiko genommen – ohne Scheu vor Mächtigeren. Mut und Selbstdarstellungsdrang sind hier eine Symbiose eingegangen.
Nach derzeitigem Stand darf sich vor allem die ÖVP über das Auftauchen von Peter Pilz im Wahlkampf freuen, denn er wird Rot und Grün Stimmen wegnehmen. Aber sie sollte sich nicht zu früh freuen. Denn wie man Peter Pilz kennt, wird er nun versuchen, sich an die Spitze derer zu setzen, die Sebastian Kurz noch zu Fall bringen wollen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2017)