Leitartikel

Vom Katastrophenpräsidenten zum Krisenmanager: Trumps Chance

(c) APA/AFP/JIM WATSON
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Bei der Bewältigung des Desasters durch den Wirbelsturm Harvey hat es Donald Trump erstmals nicht mit einer hausgemachten Krise zu tun.

Was sich seit dem Wochenende an der texanischen Golfküste vor den Augen des TV-Publikums in den USA und der ganzen Welt abspielt, gemahnt an ein apokalyptisches Szenario, wie dies sonst nur Hollywood-Blockbuster evozieren: sintflutartige Regenfälle; verzweifelte, eingeschlossene Menschen in Häusern, auf Dächern, in den Wasserfluten, die Erinnerungen an den Hurrikan Katrina vor zwölf Jahren wecken; aus den Nähten platzende Notquartiere und Retter, die sich bis an den Rand der Erschöpfung verausgaben; Ausgangssperren aus Angst vor Plünderungen und Unruhen durch einen entfesselten Mob. So malen sich Filmregisseure und Umweltgurus wie Ex-Vizepräsident Al Gore in seiner neuen Doku „Immer noch eine unbequeme Wahrheit – Unsere Zeit läuft“ Zukunftsszenarien zum Klimawandel aus, zum Anstieg der Meerespegel, die dereinst die Küstenmetropolen überfluten könnten. Manches spricht dafür, dass wir jetzt im Süden der USA Zeugen einer exakt solchen Entwicklung werden.

Experten werden sich jedenfalls noch lange darüber streiten, ob die globale Erderwärmung, die durchschnittlichen Rekordtemperaturen der vergangenen Jahre und damit auch die Erhitzung des Golfs von Mexiko – der Wetterküche der US-Südstaaten und zugleich des Öl- und Gasreservoirs der größten Industrienation – die Ausformung desaströser Hurrikans und Wirbelstürme fördern, die seit jeher über die Küsten der USA fegen. Oder ob der Tropensturm Harvey nur Produkt eines singulären, nachgerade biblischen Unglücks ist, begünstigt durch unberechenbare Komponenten und Wetterphänomene. Dass sich verheerende Hurrikans in diesem Jahrhundert häufen, lässt sich indes nicht leugnen. Die Desaster tragen Namen wie Rita, Katrina oder Sandy.

Die Gefahr durch Harvey ist indessen nicht gebannt, das Ausmaß der Schäden noch unter der Wasseroberfläche verborgen. New Orleans fürchtet eine Wiederkehr einer Katastrophe à la Katrina. Zehntausende aus der Stadt, die sich „Big Easy“ nennt, nach Houston gezogene Zuwanderer durchleben ein ähnliches Trauma wie 2005. New Orleans, die geschrumpfte Stadt am Mississippi, hat die Katastrophe bis heute nicht vollständig überwunden.

Sicher ist, dass das südliche Texas und der Westen Louisianas auf Jahre hinaus mit dem Wiederaubau und der Sanierung der zerstörten und oft ohnehin ziemlich desolaten Infrastruktur beschäftigt sein werden – und dass das Investitionsprogramm Abermilliarden an Dollar verschlingen wird. Es sind Dollar, die Donald Trump im Wahlkampf großspurig für die dringend notwendige Generalsanierung der Infrastruktur in den USA, für ramponierte Brücken, antiquierte Flughäfen, heruntergekommene Spitäler und Straßen versprochen hat.

Bisher ist indes kaum ein Cent geflossen, geschweige denn in den Bau der vollmundig verheißenen Mauer an der Grenze zu Mexiko. In seiner nunmehr siebenmonatigen Amtszeit kann der US-Präsident bis dato kein einziges Gesetzesvorhaben von Gewicht vorweisen, was bei der komfortablen Mehrheit der Republikaner im Kongress ein beachtliches Kunststück ist – und ein Indiz für das Versagen der Trump-Regierung und die Wirren im Weißen Haus.

Erstmals hat es Donald Trump nun nicht mit einer hausgemachten, von ihm und seinem Team hervorgerufenen Krise zu tun, und der umstrittenste Präsident seit Richard Nixon erhält die Chance, sich als Krisenmanager zu profilieren. Trump scheint wie elektrisiert von der Gelegenheit, sich als hemdsärmliger Vater der Nation zu präsentieren und die Fehler George W. Bushs in New Orleans zu vermeiden. Mit dem Schwenken der texanischen Lone-Star-Fahne, dem Appell an den Lokalpatriotismus und dem Schwelgen in Superlativen („Wow, what a crowd“) zu seiner Begrüßung vor einer Feuerwache und dem Twitter-Jubel über die TV-Einschaltquoten ist es allerdings nicht getan. Jetzt ist Ernsthaftigkeit gefragt und nicht Exzentrik, Koordination und nicht Narzissmus – kurzum es ist allerhöchste Zeit, vom Showman und Präsidentendarsteller zum Präsidenten zu reifen. „Wir werden nach dieser Krise stärker, größer und besser sein als je zuvor“, tönte er in Trump-Manier. Es wäre zu schön, würde sich das bewahrheiten.

E-Mails an:thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2017)

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