Leitartikel

Werner Kern und Josef Drozda

Christian Kern beim Pressefoyer, Thomas Drozda sitzt in der ersten Reihe.
Christian Kern beim Pressefoyer, Thomas Drozda sitzt in der ersten Reihe. APA/ROLAND SCHLAGER
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Der Bundeskanzler war mutig: Er arrangierte sich nicht mit dem Boulevard und ließ sich keine billigen Entscheidungen diktieren. War.

Korrespondenten in Wien, die Österreich und seine Politik ihren Landsleuten erklären sollen, haben nicht selten ein ernsthaftes Problem: Sie können es nicht. Sie verstehen nämlich selbst nicht, was da gerade passiert. Weil es auch völlig unverständlich ist. Am Donnerstag war es wieder so weit, der Bundeskanzler und sein Minister verlautbarten eine Entscheidung, die bei den Kollegen aus dem Ausland für Verblüffung und für alle anderen denkenden Menschen für Gelächter sorgte. Christian Kern und Thomas Drozda erließen einen Baustopp für eine Mauer auf dem Ballhausplatz. Oder falsch: für bauliche Maßnahmen und mauerähnliche Absperrungen in Beinahe-Hüfthöhe. Mit denen sollten laut einem drei (!) Jahre alten Plan die beiden Regierungsgebäude, also das Bundeskanzleramt und die Präsidentschaftskanzlei in der Hofburg, vor etwaigen Terroranschlägen mit Fahrzeugen geschützt werden.

Im Gegensatz zu noch gefährdeten potenziellen Terrorzielen wie etwa der US-Botschaft in der Wiener Boltzmanngasse sollte nicht etwa der Platz gesperrt werden, sondern mittels dieser sicher nicht gerade formschönen Sicherheitsinstallation nur die volle Zufahrt verhindert werden. Doch diese Minimundusmauer erregte FPÖ und die „Krone“ seit Tagen derart, dass die Regierungsspitze selbst einschritt und den Bau untersagte, der natürlich voll wird bezahlt werden müssen.

Bis zuletzt hatten Beobachter gedacht, Thomas Drozda, der ein wirklich Intellektueller ist, würde mit dieser Aktion an einer künstlerischen Intervention teilnehmen, mit der die Politik der Vorgängerregierung persifliert werden sollte. Doch der Mann meinte das tatsächlich völlig ernst: Der Kanzleramtsminister erklärte, er habe via Twitter erfahren, dass nicht nur die Gehsteige verbreitert würden, sondern auch eine Mauer gebaut werde, auch der Innenminister habe nichts davon gewusst. Wenn das stimmt, haben die Herren ihre Ressorts und Beamten aber nicht nur nicht im Griff, sondern müssen in Medien nachlesen, um zu erfahren, was in ihren Häusern beschlossen wurde.

Denn beide Institutionen waren natürlich informiert und haben in Kooperation mit der Stadt Wien das Projekt auf den Weg gebracht. Wie kann das sein, dass Minister und Kanzler über derartige Vorgänge nicht informiert sind? Da erhärtet sich der Verdacht, dass die Republik ohnehin von der Beamtenschaft regiert werde, während die Minister im Hof spielen gehen oder andere PR-Maßnahmen in eigener Sache setzen.

Hanebüchen bis amüsant ist die Argumentation Drozdas, die der der FPÖ und der „Krone“ folgt: Eine Mauer sei „ein verheerendes Signal“, man brauche ein Sicherheitskonzept „für die gesamte Bevölkerung und nicht nur fürs Regierungsviertel“. Bitte wie? Bedeutet das nun Poller und Mauern für jedes Einfamilienhaus? Bekommt jeder Bürger ab sofort Personenschutz? Schließlich geht es um den Schutz für die Gesamtbevölkerung und nicht nur der Regierenden. Aber Thomas Drodza hat zumindest in einem Punkt wirklich recht: „Das ist Kakanien in Reinkultur.“ Genau.

Die Entscheidung ist aus einem anderen Blickwinkel bemerkenswert, markiert sie doch einen Wendepunkt in der Medienpolitik und Strategie von Bundeskanzler Kern. Bis dato kroch er nicht zu Kreuze, Verzeihung: zu Krone. Er ließ sich Entscheidungen nicht diktieren, blieb zu bestimmten Redakteuren wie Claus Pándi auf Distanz und lud sie nicht wie Vorgänger Werner Faymann ständig zu vertraulichen Gesprächen ins Kanzleramt und in umliegende Restaurants.

Eine kühl bis kritische Berichterstattung der betroffenen Herren war die Folge, Sebastian Kurz und Hans Peter Doskozil hießen die „Krone“-Helden. Fünf Wochen vor der Wahl ändert sich dies: Plötzlich wird eine Trendumkehr des Kanzlers verkündet und positiver berichtet. Nur wenige Tage später liefert der Kanzler nun brav. Die Verzweiflung muss groß sein, wenn der Strohhalm Claus Pándi heißt. Es gibt aber auch eine positive Nachricht: Teile der Regierung fürchten „Krone“ und Denkmalschützer mehr als den internationalen Terror. Dann kann die Sicherheitslage nicht so ernst sein. Oder sie glauben, dass es sie ohnehin bald nicht mehr betrifft . . .

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2017)

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