Weder Pauschalurteile noch Flucht in die Opferrolle bringen uns weiter

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Die Stimmung gegenüber Muslimen ist schlecht. Sowohl Mehrheitsgesellschaft als auch Muslime selbst müssen daran arbeiten, sie wieder besser zu machen.

Muslime fühlen sich zunehmend diskriminiert. Eine entsprechende Studie der EU-Grundrechteagentur zeichnet ein Bild, nach dem es etwa bei der Job- und Wohnungssuche oder beim Umgang mit Behörden wegen der Religionszugehörigkeit eine schlechtere Behandlung für manche Menschen gibt. In Österreich haben 21Prozent der befragten Muslime dieses Gefühl. Auch von verbalen Attacken und körperlichen Angriffen wird berichtet. Es sind Zahlen, die das subjektive Gefühl stützen, dass die Stimmung gegenüber Muslimen in Österreich und Europa schon einmal besser war.

Mitverantwortlich dafür sind wohl vor allem zwei Dinge: erstens die Terroranschläge der vergangenen Jahre, die von Extremisten im Namen des Islam verübt wurden. Und zweitens das Gefühl, dass mit den Muslimen eine Bedrohung des Istzustands verbunden ist – man denke etwa an die Meldungen, dass die Zahl der Muslime in Wiener Pflichtschulen mittlerweile höher als die der Katholiken sein soll. All das trägt dazu bei, dass es zu einer Abwehrreaktion kommt und das Image des Islam zunehmend negativ ausfällt. Befeuert aber unter anderem auch durch die Politik, die bei komplexen und schwer zu vermittelnden Themen gern die Flucht in einfache Schuldzuweisungen und Pauschalurteile nimmt, die bei den Wählern für zustimmendes Kopfnicken sorgen.

Doch bei allem Verständnis dafür, dass es kein gutes Gefühl ist, von der Mehrheitsgesellschaft in ein Eck gestellt und diskriminiert zu werden – aus Sicht der Muslime ist jetzt vor allem wichtig, nicht in die Opferrolle zu fallen. Es ist der einfachste Weg, sich in den wohligen Schoß der eigenen Community zurückzuziehen und möglichst jeden Kontakt nach außen zu vermeiden. Das führt aber nur dazu, dass durch die Abkapselung der Eindruck von Parallelgesellschaften noch verstärkt wird. Und Wehleidigkeit verstellt auch den Blick darauf, dass es durchaus Themen gibt, bei denen Selbstkritik angebracht wäre. In der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) wird etwa gern mit „inneren religiösen Angelegenheiten“ argumentiert, wenn es Kritik von außen gibt. Sei es bei einem theologischen Gutachten, das Musliminnen zum Tragen des Kopftuchs rät. Oder sei es bei der Finanzierung einer nicht genehmigten islamischen Schule. All das stärkt nicht gerade den Eindruck, dass man Bedenken von außen ernst nimmt, die mögliche Konflikte zwischen staatlichen Gesetzen und europäischen Werten mit religiösen und kulturellen Traditionen zum Thema haben. Gerade in einer zunehmend säkularen Gesellschaft kann die starke Hinwendung einer Gruppe zur Religion auch manche Irritation wecken. Die offizielle Vertretung der Muslime wäre gut beraten, das ernst zu nehmen. Missverständliche Aussagen des Präsidenten, dass die islamische Glaubenslehre nicht im Einklang mit der Evolutionstheorie stehe, tragen jedenfalls nicht dazu bei, besonders viel Vertrauen in die Kompatibilität des Islam mit europäischen Werten zu schaffen.


Aber auch die sogenannte Aufnahmegesellschaft muss etwas tun. Etwa zur Kenntnis nehmen, dass manches Bild des Islam vor allem aus einem Bauchgefühl heraus entsteht. Dass etwa kopftuchtragende Frauen stellvertretend für die Musliminnen stehen, mag als subjektiver Eindruck in manchen Bezirken der Stadt nachvollziehbar sein. Tatsächlich, sagt die kürzlich veröffentlichte Studie „Muslimische Milieus in Österreich“ des Instituts für Islamische Studien der Uni Wien, verbergen gerade einmal etwas mehr als 20 Prozent der muslimischen Frauen ihre Haare unter einem Tuch. Nur sind diese eben sichtbar und eindeutig identifizierbar und prägen somit das Bild, das die Öffentlichkeit von Muslimen hat. Hier ist unter anderem auch die Politik gefordert, dass nicht zugunsten des Stimmenfangs pauschalisiert wird und der Islam sublim als Feindbild aufgebaut wird. Und nein, das heißt nicht, dass keine Kritik an Muslimen oder islamischen Einrichtungen geübt werden darf. Sie ist wichtig und richtig, wenn es etwas zu kritisieren gibt. Dann müssen Fakten auf den Tisch, und man muss darüber reden. Im besten Fall beide Seiten miteinander.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2017)

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