Leitartikel

Kurz, die FPÖ und die Mitte Europas

Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache.
Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache.NEUE VOLKSPARTEI/JAKOB GLASER
  • Drucken

Die Freiheitlichen hätten vor einem möglichen Eintritt in die Regierung die Chance, einiges klarzustellen: vor allem ihre Haltung zur EU. Am Rande der Union kann Österreich nur verlieren.

Sebastian Kurz hat sich mit seinem Wahlsieg ungewöhnlich hohe weltweite Aufmerksamkeit gesichert. So jung wie er wird selten jemand Regierungschef. Das wundersame Phänomen wollen nun auch internationale Medien bestaunen, für die ein Urnengang in Österreich normalerweise ähnlich prickelnd ist wie ein Bericht über einen heißen Sommertag in Dubai. Im Sonderfall Kurz gesellt sich zum Glamour- auch noch ein Gruselfaktor: die Aussicht auf eine Koalition mit der FPÖ.

So richtig interessant wird Österreich immer dann, wenn man es in ein rechtes Licht setzen kann, wenn Freiheitliche vor der Regierungstür stehen. Aus unerfindlichen Gründen hält sich im Vergleich dazu die Erregung über die gar nicht so abwegige und im Burgenland bereits zu besichtigende rot-blaue Koalitionsvariante in Grenzen. Man fürchtet sich lieber vor Schwarz-Blau.

Dass Strache und Co. jenseits der Grenzen des Landes für Stirnrunzeln sorgen, haben sie sich jedoch vor allem selbst zuzuschreiben. Sie sitzen im Europaparlament freiwillig in einer Fraktion mit Parteien wie dem Front National von Marine Le Pen, die erklärtermaßen die EU zerstören will. Und nur die FPÖ selbst hat es zu verantworten, die Trennlinien zu extremen Positionen und Personen nicht entschlossen genug gezogen zu haben. Es wird auch künftig nicht reichen, Kreide zu sich zu nehmen, um auf internationalem Parkett anerkannt zu werden.

Wohl wahr: Zuletzt haben sich die Freiheitlichen etwas gemäßigt. Und das erscheint nicht nur so, weil auch der Zeitgeist nach rechts rückte. Ihre Sprache ist weniger aggressiv als früher, und die Parteispitze hat sich von Antisemitismus und anti-israelischem Gebaren abgewendet. Ob taktisch oder ehrlich gemeint: Die Linie hat sich geändert. Das sollte honoriert werden. Doch weitere Schritte in die Mitte wären nötig.

Die FPÖ hätte nun die Chance, vor einem möglichen Eintritt in die Regierung einiges klarzustellen: vor allem ihre Haltung zur EU. Für einen exportorientierten Staat der Größe Österreichs ist es essenziell, sich im Herzen der Union zu positionieren. Das schließt nicht aus, eigene Ideen zu vertreten und sich dafür auch auf die Hinterbeine zu stellen. Doch an der Seitenlinie kann Österreich nur verlieren, an der proeuropäischen Grundhaltung darf kein Zweifel bestehen.

Es wäre deshalb momentan alles andere als hilfreich, der FPÖ das Außenamt anzuvertrauen, noch dazu während des österreichischen EU-Vorsitzes 2018. Ebenso verfehlt wäre es, sich den Visegrád-Staaten (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) anzuschließen, wie es die FPÖ vorgeschlagen hat. Erstens haben die V4 selbst keine Lust auf ein fünftes Mitglied, zweitens sind Schnittmengen abseits der Flüchtlingspolitik kaum vorhanden: Österreich ist EU-Nettozahler und neutral, die anderen Nettoempfänger und bei der Nato. Auch in puncto Arbeitsmigration und Atomkraft divergieren die Interessenlagen.

Dabei werden die Visegrád-Fantasien medial auch groß gemacht, um Kurz in eine Ecke mit Viktor Orbán zu stellen. Dort gehört er nicht hin. Österreichs Ort bleibt die Mitte; sie hat sich infolge der Flüchtlingskrise bloß verschoben. Europa schaut auch in den Spiegel, wenn es nach Österreich blickt.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.