Leitartikel

Der erste Fleck?

Christoph Chorherr
Christoph Chorherr(c) Clemens Fabry
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Der Planungssprecher der Wiener Grünen, Christoph Chorherr, wird wegen Korruption angezeigt. Beweise fehlen, aber allein die Meldung bedroht die blütenweiße Weste der Partei.

Man kann den Grünen viel vorwerfen – ihre Streitereien, ihre Strukturen, ihr Talent zur Themenverfehlung. Aber eines hätte man ihnen bisher nie nachgesagt: dass sie korrupt wären. Denn egal, wie die politische Wetterlage war – Wind, Regen oder Shitstorm –, das Image hielt, die Weste blieb sauber, ja sogar blütenweiß.

Das muss man sich in Erinnerung rufen, um zu verstehen, warum eine Meldung aus Wien jetzt weite Kreise zieht: Der grüne Wiener Planungssprecher wird angezeigt. Wegen Korruption, Bestechlichkeit – und noch ein paar Dingen mehr. Beweise gibt es nicht, aber womöglich Hinweise. Der Grundsachverhalt ist bekannt. Chorherr ist Obmann eines gemeinnützigen Vereins, der ein Schulprojekt in Südafrika finanziert und dafür Spenden von Immobilienentwicklungsfirmen erhält. Hunderttausende Euro. Die Frage ist, ob ein Politiker Spenden von Unternehmen annehmen darf, über deren Projekte er mitentscheidet. Chorherr beantwortet das mit Ja. Denn er habe erstens nie jemanden begünstigt. Zweitens passiere das ständig. In ganz Österreich säßen Politiker in karitativen Vereinen, die Spenden von Menschen bekämen, mit denen sie auch beruflich zu tun hätten. Wenn man über ihn rede, müsse man über alle reden.

Eigener Maßstab. Hat er recht? Ja, denn man sollte über alle reden. Aber nein, das ist kein Argument, nicht über die Grünen zu sprechen. Jene Grünen, die auch bei anderen einen strengen Maßstab anlegen. Auch dort, wo alles legal ist. Stichwort: die Debatte um Großspender für die ÖVP im Wahlkampf. Warum, so wurde gefragt, würden Unternehmen Geld geben, wenn sie sich nichts an künftigem Einfluss erhoffen. Die Frage könnte man auch hier stellen, zumal Chorherr als Verfechter einer Quid-pro-quo-Politik gilt. Wollen Bauträger in Wien etwas umsetzen, müssen sie meist etwas für die Allgemeinheit tun.

Dass Chorherr das Problem nicht sieht, dass er glaubt, er könne so tun, alles ginge es ihn nichts an, wer spendet (er will keine „Negativliste“) – das zeigt, dass es den Grünen nicht nur im Wahlkampf an Gespür fehlt. Mit den eigenen Stärken spielt man nicht. Und so ist es nicht egal, ob Chorherr bei der Abstimmung im Gemeinderat über die Spenden den Saal verlassen hat. (Der Verein bekommt auch Steuergeld – allerdings bereits seit Zeiten, in denen die Grünen in der Opposition waren.) Chorherr selbst sagt, er wisse nicht mehr so genau, ob er mitgestimmt habe.

Apropos „nicht so genau“. Das ist auch das Motto der Anzeige gegen Chorherr. Dahinter steckt die Initiative Denkmalschutz, die ihm wegen des Heumarkt-Projekts zürnt. Der Zorn ist aber keine Entschuldigung für die Vorgangsweise. Man wirft mit Vorwürfen, Ankündigungen, „Bomben“ platzen zu lassen, um sich. Gleichzeitig betont man, keine Beweise zu haben. So etwas macht man nicht. Vor allem, wenn als Kollateralschaden ein karitatives Projekt bedroht ist. Insofern war ein Unterstützer der Denkmalschützer zu Recht verlegen: Wolfgang Zinggl, Heumarkt-Kritiker, Ex-Grüner, mittlerweile bei der Liste Pilz, die 2020 möglicherweise ins Rathaus ziehen will. Als die sauberere Kontrollpartei. Die aber offenbar schmutzig kämpfen kann.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2017)

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