Leitartikel

Was du konntest längst besorgen, verschieb es nicht auf übermorgen

Josef Pröll war in seiner Politkarriere ebenfalls ein Freund von Reformgruppen.
Josef Pröll war in seiner Politkarriere ebenfalls ein Freund von Reformgruppen.Die Presse
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Ex-Politiker fordern eine Staatsreform. Möge das ein Signal an die aktiven Volksvertreter sein, wichtige Ziele umzusetzen, solange man es selbst noch kann.

Es ist der kürzeste politische Witz: Macht Österreich eine Staatsreform. Dabei mangelt es nicht an Initiativen dafür. Erst am Dienstag stellte sich wieder eine neue überparteiliche Plattform vor. Ob Josef Pröll (ÖVP), Brigitte Ederer (SPÖ) Terezija Stoisits (Grüne) oder Heide Schmidt (Liberales Forum). Sie alle sind in der Initiative rund um die Zivilgesellschaftsplattform repekt.net engagiert. Und sie sind sich einig, dass es einen großen Wurf braucht. Doch es gibt einen Haken: Es handelt sich um Ex-Politiker, die die Ideen nicht selbst realisieren können.

Was hat es nicht schon alles an Reformgruppen gegeben. Den Österreich-Konvent samt einem Verfassungsentwurf, der seither verstaubt. Eine spätere Expertengruppe hier, die sogenannten Österreich-Gespräche da, Ratschläge eines „Wirtschaftsrats“ noch dazu. Die Bundesregierungen wurden nie müde, immer neue Experten zu befragen. Nur mit der Umsetzung der Ideen wurde es dann halt nichts.

Wer warten will, bis sich Bund und Länder auf eine Reform einigen, kann auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Als Ausweg käme nur infrage, dass der Bund Mut beweist. Und auch ohne völligen Konsens einen Reformvorschlag zur Volksabstimmung vorlegt. Was nicht heißt, dass die Länder komplett entmachtet werden sollen. Aber braucht man wirklich neun verschiedene Baurechte? Ist es wirklich sinnvoll, dass die Länder für Jugendschutz zuständig sind? Und zwar, damit man dann erst recht mühsam versucht, durch eine Vereinbarung aller neun Länder die Gesetze bundesweit zu harmonisieren?

Nicht zufällig wird in Landtagen lieber über die spannenderen Bundesthemen statt über Landesrecht debattiert. Und viel lieber machen Landespolitiker mit Wortmeldungen Jagd auf den Bund, statt sich mit dem Jagdrecht im eigenen Land zu beschäftigen, für das sie laut der Kompetenzverteilung eigentlich zuständig wären.

Auf die Landesgesetzgebung kann man also, wie auch die neue Initiative meint, getrost verzichten. Wobei das föderale Element nicht zu kurz kommen darf, gibt es doch abseits Wiens das manchmal gar nicht so falsche Vorurteil, dass in der Hauptstadt primär Politik aus Wiener Sicht gemacht wird. Eine Möglichkeit wäre, die für viele Bürger doch identitätsstiftenden Landeshauptleute beizubehalten, sie direkt zu wählen, und den jetzigen Bundesrat quasi durch die Landeshauptleutekonferenz zu ersetzen. Dann könnten die Landeshauptleute endlich das machen, was sie schon immer am liebsten tun wollten: Bundespolitik betreiben.

Die neue Initiative will den Bundesrat abschaffen. Aber die einzelnen Abgeordneten im Nationalrat stärken, indem knapp die Hälfte von ihnen in Einerwahlkreisen direkt gewählt wird. Das hätte Vorzüge. Jeder Bürger wüsste, wer „sein“ Abgeordneter ist. Und ein direkt gewählter Abgeordneter kann auch mutiger agieren und wäre nicht nur eine Abstimmungsmaschine. In diesem Vorteil liegt freilich auch eine Gefahr. Fatal wäre es, wenn diese Abgeordneten dann ihr Ja zu bundesweit wichtigen Projekten davon abhängig machten, ob etwa ihre Ortschaft eine neue Brücke bekommt.

Fraglich ist im Sinne des Sparwillens, ob man die Zahl der Abgeordneten im Nationalrat von 183 auf 199 erhöhen muss, wie es die Initiative will. Erst vor einigen Jahren war die Koalition der Meinung, dass 165 Abgeordnete reichen würden. Die Regierung blitzte aber damit bei den Parteifreunden im Parlament ab.

Genauso nötig wie eine Neugliederung des Staats wären aber Maßnahmen im Pensionsbereich, wie sie am Dienstag von einer anderen Initiative (Aktion Generationengerechtigkeit) gefordert wurden. Je älter wir dank des Fortschritts werden, desto später können wir auch in Pension gehen. Diese Logik durch eine Pensionsautomatik gesetzlich zu verbriefen wäre ein wichtiger Schritt, um künftigen Generationen einen finanzierbaren Sozialstaat zu hinterlassen.

Auch wenn Pensionsreformen kurzfristig unpopulär sind. So wie auch eine Staatsreform nie ohne Streit abgehen kann. Doch manche Maßnahmen muss man als aktiver Politiker eben setzen. Damit man es sich erspart, Jahre später in Initiativen zu sitzen und Reformen von den politischen Nachfolgern einzufordern.

E-Mails an:philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2017)

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