Leitartikel

Der Kampf gegen den Klimawandel muss wehtun, soll er nicht scheitern

(c) REUTERS (HEINO KALIS)
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Diesel-Fahrverbote bringen die Welt im Kampf gegen die Erderwärmung nicht voran. Helfen kann nur ein Umbau im Steuersystem. Aber dafür fehlt der Mut.

Das schlechte Gewissen plagt die Amerikaner. Eine Million Bäume wollen US-Umweltschützer pflanzen, um den Ausstieg ihres Präsidenten, Donald Trump, aus dem Weltklimavertrag von Paris gutzumachen. Warum nicht? Viel besser sind die Ideen, mit denen der Rest der Welt die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß eindämmen will, auch nicht: Die Palette reicht von Fahrverboten mit begrenzter Wirkung bis hin zum umstrittenen Plan, die Erde künstlich zu kühlen.

Die Menschen müssen entscheiden, ob sie jetzt Milliarden ausgeben wollen, um das Problem so klein wie möglich zu halten, oder später noch mehr zahlen, um nach den angekündigten Katastrophen wieder aufzuräumen. Das Gros der Experten sagt für den Fall eines ungebremsten Klimawandels nicht nur den Anstieg der Meere voraus, sondern auch häufigere Wirbelstürme, Fluten, Dürren, Hungersnöte – die dazugehörige Migration in den sicheren Hafen Mitteleuropa inklusive. Dennoch scheint das Pariser Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu stabilisieren, außer Reichweite. Die weltweiten Emissionen stiegen zuletzt weiter – in vielen Ländern sogar ungebremst.

Baldige Rettung ist nicht in Sicht: Ein Dieselfahrverbot mag gegen Stickoxide am Boden helfen, bringt dem Klima aber nichts, solange die Dieselautos durch klimaschädlichere Benziner ersetzt werden. Auch die Milliarden an Förderungen für erneuerbare Energieträger schaden mitunter mehr, als sie nutzen, solange die Stromnetze und -speicher nicht Schritt halten können. Deutschland hat es etwa zu gut gemeint: Der beherzte Ausbau der Ökostromkraftwerke ließ den Strompreis kollabieren, sodass sich nur noch billige, aber schmutzige Kohlekraftwerke rechnen, wenn Sonne und Wind auslassen. Der Effekt: Der CO2-Ausstoß der Deutschen ist 2016 wieder gestiegen.

Eine mögliche Lösung legte die OECD vor wenigen Tagen auf den Tisch: Energie und CO2 müssen spürbar verteuert werden, fordert der Thinktank der Industriestaaten. Derzeit sind die Steuern auf Energie in keinem der untersuchten Staaten hoch genug, um das Verhalten der Menschen zu beeinflussen. Und gerade die klimaschädlichsten Energieträger sind in vielen Staaten gänzlich steuerfrei.

Autofahrer kommen bei der Analyse der OECD übrigens gut weg. Sie bezahlen mehr als genug Steuern, nur eben die falschen. Wenn es in Österreich steuerlich teurer ist, ein Auto zu besitzen, als es zu fahren, ist jeder ein ökonomischer Narr, der seinen Wagen stehen lässt. Der viel größere Energieverbrauch abseits des Transportsektors wird von den meisten Finanzministern hingegen vergessen. Vier Fünftel aller Emissionen, die beim Heizen, in der Industrie oder bei der Stromerzeugung entstehen, kosten die Verursacher keinen Cent.

Will zumindest Europa seine Zusagen aus Paris einhalten, wird sich das ändern müssen. Das Heizen mit alten Ölkesseln, das Verbrennen von Kohle für Strom und das Fahren von Dieselautos und Benzinern wird entweder verboten – oder eben empfindlich verteuert werden müssen. Hier liegt der große Haken des Plans: Wenn der Preis dafür, eine Tonne CO2 in die Atmosphäre zu jagen, nicht mehr zehn, sondern hundert Euro beträgt, stellt sich unweigerlich die Frage, wer das bezahlen wird.

„Wir alle!“, drängt sich als reflexartige Antwort zwar auf, stimmt aber nicht. Nach bisherigem Muster wird der Kampf gegen den Klimawandel vor allem von der Mittelschicht und den einkommensschwachen Bürgern zu tragen sein, sagt Georg Zachmann vom Brüsseler Thinktank Bruegel. Sie haben weder das Geld, um sich hochsubventionierte Solaranlagen auf das Dach zu schnallen, noch, um ihren alten Skoda-Diesel endlich loszuwerden. Während sie sich also beim Tanken und Heizen weiter ausbluten, helfen die Regierungen den Betuchteren beim Kauf ihrer Elektroautos mit satten Förderungen aus. Das ist ein blinder Fleck im Kampf gegen den Klimawandel, der sich zu einem ernsten Problem auswachsen könnte. Denn ohne Unterstützung möglichst aller Teile der Bevölkerung wird der Systemumbau nicht gelingen. So viele Bäume können wir gar nicht pflanzen, um das Scheitern wieder auszugleichen.

E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2018)

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