Direkte Demokratie und Asyl missbraucht

Niessls SPÖ spannt die Bürger für ihren Wahlkampf ein. Ministerin Fekter leidet plötzlich an Rückgratschwäche.

Es wäre nicht notwendig gewesen, dass Burgenlands Landeshauptmann ein spezielles Freizeitprogramm mit einer Volksbefragung zum Asylzentrum in Eberau organisiert. Die Mehrheit der stimmberechtigten 86.000 Südburgenländer hat sich auch ohne den Ausflug in ein Wahllokal einen schönen Sonntag gemacht. Ein Landesfürst in Eisenstadt wollte allen einreden, dass jetzt im Südosten Österreichs die Geburtsstätte der direkten Demokratie liege. Dabei war die Aktion bloß eine Extrarunde zur Absicherung Niessls auf dem Landeshauptmannsessel.

Rund 94 Prozent stimmten nun dagegen, eine reine Fleißaufgabe. Denn spätestens seit der Volksbefragung in Eberau selbst vor einem Monat war das Projekt politisch tot. Es ist daher wenig überraschend, dass nur gut ein Viertel der Wahlberechtigten jetzt, bei der zweiten Befragung, überhaupt teilnahm. Blamabel für Niessl.

Als Ergebnis bleibt: Ein Landeschef hat die Bevölkerung einer Region für den (Zwischen-)Wahlkampf der SPÖ für die Landtagswahl am 30. Mai eingespannt. Das ist noch viel stärker als im Februar die Volksbefragung durch Michael Häupls SPÖ in Wien eine Farce und ein Missbrauch des Instruments der direkten Demokratie für parteipolitische Zwecke.


Im Burgenland handelte es sich um eine Art Beschäftigungstherapie, damit mündige Bürger nicht womöglich auf die Idee kommen, blöde Fragen zu Themen zu stellen, die für den Landeshauptmann viel unangenehmer sind. Etwa, warum es trotz jahrelanger EU-Förderung nicht gelungen ist, die Arbeitslosenrate im Südburgenland zumindest auf das bundesweite Niveau zu senken. Ende Jänner waren in den Bezirken Oberwart, Güssing und Jennersdorf nämlich knapp 14 Prozent der Menschen als arbeitslos gemeldet.

Ein Wunder, dass Niessls Parteifreund, Verteidigungsminister Norbert Darabos, noch nicht auf die Idee gekommen ist, die Jobsuchenden zusätzlich zum Bundesheer für die Grenzüberwachung einzusetzen. Die Haupttätigkeit der Soldaten besteht darin, der Polizei verdächtige Vorkommnisse zu melden. Nach der Logik des Burgenländers Darabos würde eine Aufstockung dieser Späher nahe der Ostgrenze das Sicherheitsgefühl der ansässigen Bevölkerung noch viel mehr steigern. Bemerkenswert ist außerdem, dass ein Landeschef angesichts einer überdurchschnittlich hohen Zahl an Arbeitslosen im Südburgenland ein Projekt, das unbestritten Arbeitsplätze brächte, so locker vom Tisch wischt.

In der benachbarten Steiermark wurde zugleich am Sonntag vorexerziert, dass sich die Bevölkerung sehr wohl hinter mutigere Politiker stellt. In Vordernberg ist der SPÖ-Bürgermeister offen für ein Schubhaftzentrum und damit für Arbeitsplätze eingetreten. Er hat die Bevölkerung dabei nicht überrumpelt und konnte trotz Stimmenverlusten ein Mandat dazugewinnen.


Für das Südburgenland wäre besser gewesen, Niessl hätte sich mit ebensolchem Einsatz für die Ansiedlung von Betrieben und damit die Schaffung von Jobs eingesetzt, wie er die Pläne von ÖVP-Innenministerin Maria Fekter bekämpft hat. Denn die sonst so strenge Lady aus Oberösterreich arbeitet ohnehin an der Selbstzerstörung ihrer Glaubwürdigkeit als Politikerin. Zuerst versuchte sie patschert, hinter dem Rücken der Betroffenen, ein drittes Erstaufnahmelager durchzuboxen. Ihre Begründung: Es sei Traiskirchen in Nieder- und Thalham in Oberösterreich nicht länger zumutbar, dass diese die ganze Last trügen. Dann holt sich Fekter bei der SPÖ, später bei ihrem Obmann Pröll und bei der Eberauer Bevölkerung eine blutige Nase.

Jetzt, nur drei Monate nach Fekters geplantem Asylgewaltakt fällt ihr auf, dass ein drittes Asylzentrum nicht nötig ist. Statt der oft beschworenen weitsichtigen Politik macht sie eine 180-Grad-Wendung. Die von der Koalitionsspitze aus Angst vor einer Entscheidung über einen Standort notgedrungen ausgerufene Nachdenkpause ist beendet. Sonst gibt es vermeintliche Lösungen der rot-schwarzen Koalition nie so schnell!

So wird auf dem Rücken von Asylwerbern und von zehntausenden Österreichern hierzulande Politik gemacht. Für die SPÖ und Niessl müssen Aus- und Inländer unfreiwillig Komparsen in einem Wahlkampfspektakel spielen. Ausgerechnet die angeblich eiserne Innenministerin wird bei einem wichtigen Thema – Hilfe für tatsächliche Flüchtlinge, Schutz der Österreicher vor jenen, die das Asylrecht nur ausnützen – schwach. Die Diagnose ist klar: plötzlich auftretende Rückgratschwäche.


karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2010)

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