Außenpolitischer Sinkflug ins Nirwana

Österreich schwebt im neutralen Wertevakuum. Das ist angenehm für Gäste wie Putin und Mottaki.

Zumindest ein Wochenende lang steht Österreich im internationalen Rampenlicht. Es kommen zwei interessante Gäste nach Wien. Den einen, Russlands Premier Wladimir Putin, zog vor allem die Judo-EM nach Österreich. Und weil er ein arbeitsamer Mensch ist, trifft er auch noch Bundeskanzler Werner Faymann und Bundespräsident Heinz Fischer.

Große Dinge gibt es nicht zu besprechen. Für sein Lieblingsprojekt hat Putin schon erfolgreich Lobbying betrieben: Eilfertig hat der Ministerrat in Wien diese Woche grünes Licht für die nicht unumstrittene South-Stream-Pipeline gegeben, die russisches Gas vorbei an renitenten Ex-Sowjetvasallen ins Herz Europas pumpen soll. Lästige Kritik an Demokratie- oder Menschenrechtsdefiziten hat Russlands starker Mann in Wien nicht zu erwarten. Dafür war Österreich noch nie bekannt.

Russland darf Österreich getrost zum Klub seiner Towarischi in der EU zählen. Und auch mit dem Iran geht man auf dem Ballhaus- und Minoritenplatz weniger hart ins Gericht als anderswo. Man will sich ja nichts verderben – Atomprogramm hin, Menschenrechtsverletzungen her. Wenn es gilt, wirtschaftliche Interessen zu wahren, findet Österreich meist auch schnell einen Überbau, vorzugsweise in der Requisitenkiste der Neutralität. Es sei für Österreichs Positionierung gescheiter, einen Gesprächskanal mit dem Iran offenzuhalten, als mit den Scharfmachern mitzuschwimmen, heißt es. Das ist ein Argument. Doch zielführend war diese Haltung bisher nicht. Österreichischen Diplomaten gelang es genauso wenig wie anderen, den Iran im Streit um das Atom(bomben)programm zu beeinflussen. Das Einzige, was bleibt, außer Iran-Geschäften, ist ein Gefühl der Verstörung in westlichen Staatskanzleien.

Zur Entfremdung trägt nun bei, dass Außenminister Spindelegger am Sonntag seinen iranischen Amtskollegen Mottaki nicht nur empfängt, sondern gleich auch noch eine gemeinsame Pressekonferenz mit ihm abhält. Das verleiht einem Mann Respektabilität, der ein Symposium mit Holocaust-Leugnern eröffnet und zuletzt auch die Münchner Sicherheitskonferenz für einen Propagandaauftritt missbraucht hat.

Österreich wird nicht ausscheren, wenn die UNO oder die EU neue Sanktionen gegen den Iran beschließen sollte. Und doch hat man, nicht nur in dieser Angelegenheit, den Eindruck, dass es der österreichischen Außenpolitik manchmal an Orientierung mangelt. „Herrschaft des Rechts“ hat sich Österreich während seiner Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der UNO auf seine Fahnen geschrieben. Zu bemerken wird davon bei den Treffen mit Putin und Mottaki vermutlich recht wenig sein.

Trotz EU-Beitritts schwebt die österreichische Außenpolitik noch immer in einem neutralistischen Wertevakuum. Zuletzt hat sich die Bundesregierung mehrmals aus dem Staub gemacht, wenn Solidarität gefragt gewesen wäre. So hat Österreich zwar laut die Schließung des US-Lagers in Guantánamo verlangt. Aufnehmen will es jedoch keine Gefangenen. Andere Länder schicken zusätzliche Soldaten nach Afghanistan; Österreich entsendet fünf Polizisten, die man am liebsten als Ausbildner in Nachbarländern Afghanistans eingesetzt hätte, damit ihnen ja nichts zustoßen kann.

Vor der Absage steht nun auch der Einsatz österreichischer Blauhelme im Libanon; es fehlt das Geld dafür. Außenpolitik hat auch eine sicherheitspolitische Säule, doch die lässt Verteidigungsminister Darabos zusehends zerbröseln.


Das Trittbrettfahrertum, in das Österreich zurückfällt, hat Folgen. Der Nukleargipfel in Washington etwa fand ohne österreichische Beteiligung statt, obwohl Wien nicht nur Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde ist, sondern zuletzt auch die gute Idee einer internationalen Nuklearbank forciert hat. Russland und die USA unterschrieben ihren Abrüstungsvertrag nicht im neutralen Österreich, sondern in Prag. Das Europaforum in Lech musste der Bundeskanzler in letzter Minute abblasen, weil niemand gekommen wäre. Die Liste ließe sich fortsetzen. Könnte es sein, dass Österreich außenpolitisch an Bedeutung verliert?

Neutrale reklamieren für sich, als Vermittler tätig werden zu können. Doch auch da war Österreich abgemeldet. Bis auf einen Westsahara-Dialog in Dürnstein brachte man nichts zustande. Nicht einmal im Grenzstreit zwischen Kroatien und Slowenien war Wien als Mediator gefragt.

In Wirklichkeit rächt sich, dass Österreich nach dem EU-Beitritt an der Schimäre der Neutralität fest- und sich der Nato ferngehalten hat. Das ist der Hauptgrund, dass es sich an die Peripherie manövriert hat.

Mottaki und Putin in Wien Seiten 6 und 8

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2010)

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