Aktive Ausländerpolitik schaut anders aus

Rechtspopulisten bestimmen die Debatte – was es schwer macht, Chancen und Probleme realistisch zu beurteilen.

Irgendwo zwischen Heinz-Christian Strache und Ute Bock muss es doch auch noch eine Wahrheit geben! Weil aber Rechtspopulisten die Diskussion über die Zuwanderungspolitik bestimmen und die Regierenden lange Zeit die real existierenden Probleme des multikulturellen Zusammenlebens geleugnet haben, bleibt leider wenig Raum für vernünftige Politik.

Daher haben wir jetzt den Salat: Österreich reagiert immer nur, statt aktive Zuwanderungspolitik zu betreiben. Wir machen es qualifizierten Zuwanderern (und deren Familien) oft unnötig schwer, sehen aber gleichzeitig ohnmächtig zu, wie ungebildete junge Mädchen nach Österreich geholt und hier (zwangs-)verheiratet werden. Die Kinder aus solchen Beziehungen stellen dann wegen mangelnder Sprachkenntnisse oft eine Belastung für das heimische Schulwesen dar. Studien zeigen sogar, dass sich die zweite Generation schlechter integriert als die erste. Ein sozial explosiver Trend: Wer sich abgelehnt fühlt, schottet sich eher mit seinesgleichen ab. Das ist leichter geworden als noch vor einiger Zeit. Niemand mit türkischem Migrationshintergrund muss sich in Wien Favoriten, Ottakring oder Simmering integrieren. In manchen Grätzeln stellen die Migranten die Mehrheitsbevölkerung. Sie kaufen in „ihren“ Supermärkten ein, sehen türkisches Fernsehen, lesen türkische Zeitungen, sind als Kleinunternehmer erfolgreich. Und die Erfolglosen? Sie suchen vielleicht Trost und Freunde bei fragwürdigen Predigern. Es ist übrigens fahrlässig, dass sich niemand genauer dafür interessiert, welche Religionsvertreter da in Österreich ihre Schäfchen unterrichten, wer sie bezahlt, und welche „Kultur“ in angeblichen Kulturvereinen gepflegt wird.

Der (sozialdemokratische!) deutsche Banker Thilo Sarrazin hat es dramatisch zugespitzt und gemeint, dass sein Volk auf natürlichem Wege „durchschnittlich dümmer“ werde, weil bestimmteZuwanderergruppen aus unterentwickelten Regionen eben gebärfreudiger seien. Er spricht damit offen aus, was viele heimlich denken – und gießt Öl in ein ohnehin bereits beträchtlich loderndes Feuer. Die Aufregung darüber wird dem Verkauf seines neuen Buches mächtig nützen.

Zuspitzen – das ist aber auch die Spezialität von Innenministerin Maria Fekter. Ihr Kalkül: der FPÖ ein paar Wähler abzujagen. Gerade hat sie Alarm geschlagen, weil die Zahl der Asylanträge wieder gestiegen ist. Doch in Wahrheit gab es früher noch viel mehr. Und wie immer sind die Aussagen der Ministerin unnötig hart, wenn sie zum Beispiel meint, dass die Asylgrundversorgung nicht „ein vorübergehendes Taschengeld für Roma“ werden soll. Auch ihre Forderung nach Deutschpflicht vor Zuwanderung ist problematisch: Ist das denn überall so einfach möglich?

Die ÖVP setzt derzeit auf „Double-Talk“: Fekter steht für Rechts-außen, ihr Parteikollege Michael Spindelegger hat sich hingegen für eine aktive Zuwanderungspolitik ausgesprochen – und dafür erfreuten Applaus von der Wirtschaft geerntet. In vielen Branchen sucht man ja händeringend Fachleute.

Der SPÖ wiederum ist das Thema peinlich. Sie schwankt zwischen dem Populismus eines Hans Niessl und der Wiener SPÖ-Politik, die sich mit mannigfaltigen Aktionen um Integration der Zugewanderten bemüht – auch, weil sie in ihnen hohes Wählerpotenzial sieht. Ein schwieriger Balanceakt: Die bisherige Stammklientel im Gemeindebau ist wütend, sieht sie sich doch von armen Zuwanderern überrollt.

Aber wäre der heimische Wohlstand wirklich gesichert, ohne die vielen tüchtigen polnischen Bauarbeiter, slowakischen Pflegerinnen, türkischen Greißler, deutschen Kellnerinnen, iranischen Ärzte und Wissenschaftler aus aller Welt? Klar ist auch, dass wir das Potenzial unserer Zuwanderer zu wenig nutzen. Es ist absurd, dass Absolventen heimischer Unis aus Nicht-EU-Staaten in Österreich nicht arbeiten dürfen, weil sie als Jungakademiker logischerweise noch nicht das Gehalt einer Schlüsselkraft erzielen.

Eine aktive Zuwanderungspolitik hieße, die Zuwanderer, die wir brauchen, aktiv anzuwerben – oder ihnen wenigstens auf einer offiziellen Homepage mitzuteilen, wen wir gerne hätten, und was wir zu bieten haben. Ein großer Teil der „Ausländer“, die schon da sind (und sehr oft längst Österreicher sind), ist bestens integriert. Um den Rest – besonders um die Bildung der Jugendlichen – muss sich Österreich extrem bemühen. Das ist teuer – aber noch teurer ist es, sie links liegen zu lassen.


martina.salomon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2010)

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