Obamas gefährliche Friedensfarce in Nahost

Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Israel und Palästinensern folgt Gewalt wie das Amen im Gebet.

Es ist ein absurdes Theaterstück, das im Weißen Haus inszeniert wird. Alle Schauspieler, die nach Washington gekommen sind, wissen, dass die Aussicht auf einen Friedensschluss im Nahen Osten ähnlich realistisch ist wie der Anblick eines Schwarms fliegender Kamele in der Antarktis. Doch die beiden Hauptdarsteller, der israelische Premier Benjamin Netanjahu und der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, spielen trotzdem mit. Denn der Intendant, US-Präsident Barack Obama, wünscht sich die Aufführung so sehr. Er hat sogar schon einen Preis dafür bekommen, ehe sich der Vorhang überhaupt gehoben hat: den Friedensnobelpreis. Und eine solche Auszeichnung verpflichtet natürlich.

Reden ist besser als Schießen, heißt es. Dagegen lässt sich aufs Erste schwer etwas einwenden. Was aber, wenn das Reden nirgendwohin führt und danach noch mehr geschossen wird? Genau das ist schon einmal passiert, vor zehn Jahren. Der amerikanische Zampano hieß zu dieser Zeit Bill Clinton. Er zerrte den damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Verteidigungsminister Ehud Barak sowie den mittlerweile verstorbenen PLO-Chef Jassir Arafat nach Camp David, um sie zum Frieden zu zwingen. Die Verhandlungen waren schlecht vorbereitet und scheiterten.

Es folgte ein Gewaltausbruch, die zweite Intifada der Palästinenser. Barak verlor die Wahl. An die Macht kam Ariel Scharon. Und er antwortete unerbittlich auf den Terror. Schließlich ließ Scharon eine Mauer errichten, um Attentäter abzuwehren. Hoffnung flackerte auf, als er die Armee aus Gaza abzog. Doch dieses Vakuum füllte die radikal-islamistische Hamas. Der Gazastreifen wurde zur Abschussrampe für Raketen, die auf Israel regneten, bis die israelische Armee zum Jahreswechsel 2009 in einem dreiwöchigen Krieg zurückschlug.

Der Flop von Camp David hat die gemäßigten Kräfte auf beiden Seiten geschwächt. Die politische Landschaft Israels verschob sich seither nach rechts. Arafats Nachfolger, Mahmoud Abbas, herrscht heute nur noch über einen Flickenteppich im Westjordanland. Den Gazastreifen kontrolliert die Hamas. Allein deshalb ist eine Zweistaatenlösung praktisch unmöglich. Denn es gibt de facto einen dritten Staat: Hamastan. Und was die radikalen Islamisten vom Friedensgipfel in Washington halten, verdeutlichten sie vor Beginn der Verhandlungen mit einem Anschlag im Westjordanland, dem vier jüdische Siedler zum Opfer fielen. Nun sollten sich die Friedenswilligen nicht abhalten lassen von den fundamentalistischen Nein-Sagern. Das Problem jedoch ist, dass der politische Wille zum Frieden nicht ausreicht.

Auch wenn Netanjahu, was manche vielleicht vergessen haben, trotz all seiner Hardliner-Rhetorik schon einmal, nämlich 1998 in Wye, in einem Abkommen Zugeständnissen gegenüber Palästinensern zustimmte, ist es nur schwer vorstellbar, dass ausgerechnet er Frieden bringen wird. Obama musste schon eine Krise in den israelisch-amerikanischen Beziehungen heraufbeschwören, bis Netanjahu sich erweichen ließ, den Ausbau jüdischer Siedlungen wenigstens eine Zeitlang einzufrieren. Diese Frist läuft am 26.September aus. Und das wird auch gleich der erste Test für den neuen Friedensprozess. Erweitern die Israelis wieder ihre Siedlungen, dann werden die Palästinenser die Verhandlungen abbrechen. Verlängert Netanjahu das Moratorium, dann verliert er Außenminister Lieberman, und seine Koalition zerbricht. In diesem Fall könnte er die gemäßigte Oppositionspartei Kadima ins Boot holen. Der Aussicht auf Frieden wäre das zuträglich. Doch es bliebe immer noch die Frage, ob und welchen Frieden Netanjahu will.

Zweifelhaft ist jedoch auch, ob PLO-Chef Abbas stark genug für Kompromisse ist. In seinen Verhandlungen mit Netanjahus Vorgänger, Ehud Olmert, hatte er es mit einem nachgiebigeren Gegenüber zu tun. Olmert bot ihm Landtausch an, eine Teilung Jerusalems, eine Lösung der Flüchtlingsfrage – die ganze Palette eines Friedensabkommens, dessen Umrisse auf dem Papier allen Beteiligten seit Jahren klar ist. Doch zur Einigung kam es nie. Warum sollte es jetzt mit Netanjahu klappen, der Jerusalem unmittelbar vor Beginn der Friedensverhandlungen als unteilbare Hauptstadt Israels bezeichnet hat und nie so weit wie Olmert ginge?

Obama agiert mutiger als alle US-Präsidenten vor ihm, die das heiße Nahost-Eisen immer erst am Ende ihrer Amtszeit angriffen. Doch er weckt in einer ungünstigen Konstellation übertriebene Hoffnungen, die in bitteren Zorn umschlagen könnten. Eher hätte eine Flugschule für Kamele Erfolg als seine gefährliche Friedensfarce.

Neuer Anlauf in Nahost Seiten 1 und 2


christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2010)

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