Jetzt wäre eine gute Zeit, Österreich zu ändern

Werner Faymann und Josef Pröll müssen sich zweieinhalb Jahre lang nicht vor Wählern fürchten. Eine gute Phase, notwendige Reformen anzugehen. Ein paar Ideen gäbe es da.

Der Argumentation der Regierungsspitze folgend müssten nun die politisch mutigen Zeiten beginnen. Zweieinhalb Jahr stören keine für billigen Populismus anfälligen Wahlen die Reformkraft dieser Regierung. Viel spricht zwar dafür, dass Wahlen der ideale Zeitpunkt sind, um davor Argumente, Konzepte und Positionen zu vertreten und die Bürger darüber abstimmen zu lassen. Aber Kanzler Werner Faymann und sein Vize, Josef Pröll, wählten den anderen Weg (und verloren nebenbei bei den Wahlen in der Steiermark und Wien). Jetzt beschließen sie das Budget und legen damit die hoffentlich richtige Weichenstellung nach der großen Wirtschaftskrise.

Das ist eine formulierte Hoffnung, die frei von Ironie sein soll. Werner Faymann und Josef Pröll könnten in den kommenden Wochen und Monaten beweisen, dass sie bisher unterschätzt wurden. Natürlich spricht einiges dafür, dass der größte gemeinsame Nenner Namengeber der Großen Koalition ist und verwässerte Kompromisse am Ende stehen werden. Aber zumindest in dieser Zeitung sollen in den kommenden Tagen und Wochen unter dem Titel „Österreich im Herbst – was sich ändern muss“ Anstöße, Vorbilder und Ziele formuliert werden, die zeigen, wohin die Reise gehen soll. Umfragen bestätigen: Gerade unter jungen Österreichern wird das Gefühl stärker, es müsse sich bei Pensionen, Bildung und in der Integrationspolitik einiges ändern.

Das wäre etwa die aktuelle Debatte um Abschiebungen, in der die Themen Asyl und Integration ungeniert vermischt werden. Asyl steht nicht integrierten, sympathischen Ausländern, sondern politisch Verfolgten zu. Dass Österreich ohne Einwanderung nicht auskommen wird, wissen sogar FPÖ-Politiker, das gilt es zu regeln. Kanada ist, wenn es darum geht, für viele wegen seines ausgeklügelten Programms, in dem nach sechs Kriterien Punkte vergeben werden, das Vorbild. Allein: Nach Kanada wollen verhältnismäßig mehr gut ausgebildete, sprachbegabte Menschen denn nach Österreich. Auf die berühmten IT-Inder warten wir noch immer. Vielleicht ist ihnen hier das politisch-gesellschaftliche Klima nicht geheuer.

Dabei würden unsere Unis Spezialisten und junge Forscher gut gebrauchen können, die nicht nur ein, zwei Semester bleiben. Die Unis ähneln dieser Tage Bahnhöfen, auf denen die Studenten in den falschen Zug steigen. Gebühren, die ohnehin nicht alle Kosten abdecken würden, abgefedert mit einem guten Stipendiensystem für sozial Benachteiligte, könnten in Kombination mit fairen Eingangsprüfungen Entlastung bringen. Dass es vernünftiger ist, in Bildung zu investieren denn in Subventionen für veraltete Agrarstrukturen, sollte klar sein.

Womit wir beim alles entscheidenden, einfachen Punkt wären: Österreich gibt Geld aus, das es nicht hat. Es geht nicht ums Sparen, sondern nur darum, weniger Geld auszugeben. Das beginnt bei erwähnten Förderungen für Wald und Wiesen und betrifft vor allem die Art und Weise, wie wir uns organisieren. Der Privilegienföderalismus ist nicht mehr zu halten: Landeshauptleute können nicht objektiv darüber entscheiden, ob und wo Krankenhäuser, Schulen und Straßen gebaut werden. Es fehlte ihnen der Überblick und mangels Steuereinhebung auch die Verantwortung. Sie dürfen aus gutem budgetpolitischen Grund auch nicht Kommissariate in jedes Dorf stellen, obwohl das die lokale Bevölkerung jeweils begrüßen würde. Allerdings müsste das den Landeschefs irgendjemand sagen.

Apropos Klartext: Dass wir über die Abschaffung der Wehrpflicht, nicht aber offen über die sicherheitspolitische Konstruktion Österreich reden, ist bezeichnend und falsch zugleich. Ein kleines Berufsheer, das die Neutralität garantiert, kostet übrigens auch mehr Geld.

Mehr davon wollen sich die Regierungsparteien über Steuererhöhungen beziehungsweise durch neue Abgaben hereinholen. Dass eine höhere Belastung von Unternehmen und/oder eine Börsensteuer dafür sorgen, dass wirtschaftliche Investitionen und Innovationen verhindert werden, die Arbeitsplätze und Steuern von morgen bringen, müssten Faymann und Pröll von ihren Spezialisten gesagt bekommen haben. Dass man bei den irgendwann unfinanzierbaren Massenpensionen etwas ändern muss, eigentlich auch. Dabei wäre es recht einfach. Die beiden müssten nur einer Maxime folgen: Morgen ist wichtiger als heute.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.