Das Budget verschieben und ab zur nächsten Klausur

Die Regierung macht es sich zu leicht: Das Budget sollte statt im Dezember erst im März 2011 beschlossen werden, bis dahin sollten mit den Ländern Reformen fixiert werden.

Irgendetwas müssen wir falsch gemacht haben: Nach der Erleichterung darüber, dass sich die Regierung die Blamage erspart hat, ihre Klausur ohne Budgeteinigung beenden zu müssen, wird das vielleicht auch Kanzler Faymann und Finanzminister Pröll demnächst klar werden. Wenn die obersten Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter nicht vor Schmerz über Einsparungen aufschreien, sondern, wie am Sonntag, wenig auszusetzen haben, muss beim angeblich größten Sanierungspaket seit 1945 etwas schiefgegangen sein.

Der Finanzminister macht zwar zu Recht darauf aufmerksam, dass die Verschuldung bis 2014 zurückgefahren wird und das Defizit rascher als geplant sinkt. Kunststück, lautet die Antwort, wenn die Österreicher, egal ob Raucher, Autofahrer oder Aktienbesitzer, dafür kräftiger zur Kasse gebeten werden. Faymann wird an diesem Nationalfeiertag beim Tag der offenen Tür im Kanzleramt von Besuchern deftigere Reaktionen auf das Budget- und Steuerpaket bekommen als von untertänigen Sozialpartnerchefs.

Der Staat kommt vorerst finanziell über die Runden. Irgendwie wurden die Millionen durch ein paar Einsparungen und neue Steuern wieder zusammengekratzt. Aber Josef Pröll sollte jetzt wirklich niemandem mehr einreden wollen, dass für dieses simple Werk die Österreicher so lange durch die Verschiebung des Budgets hingehalten werden mussten. Seltsam: Als seine größte Leistung sieht es Pröll seit dem Abschluss am Samstag an, eine noch stärkere Steuerbelastung abgewendet zu haben. Danke, da sieht der Bürger immerhin, was heutzutage schon als Verhandlungserfolg für einen großkoalitionären Spitzenpolitiker gilt.

Bei Kanzler Faymann müssen die Österreicher seit Samstag ohnehin den Eindruck gewinnen, eine Budgeteinigung bestehe für einen SPÖ-Chef nur darin, möglichst viele neue Steuern durchzuboxen. So sehr rühmt sich Faymann nun damit, dass er zwei Drittel der angestrebten SPÖ-Belastungsideen umsetzen konnte. Doch war da nicht auch einmal ein Nein zu neuen Massensteuern? Damit nimmt es ein SPÖ-Chef halt nicht so genau, wenn die nächste Nationalratswahl noch mehr als zwei Jahre entfernt ist. Und wenn er hofft, dass die Wähler solche Umfaller bis dahin schon vergessen haben. Oder vielleicht zählen Autofahrer, Raucher und selbst Flugpassagiere, die mehr für ihre Tickets zahlen müssen, für die SPÖ plötzlich zu einer Minderheit in diesem Land.

Okay, diese Regierung startet auch erste Versuche, die Kosten bei Hackler- und Invaliditätspensionen zu bremsen. Allerdings kann kein Experte vorhersagen, ob mehr Prävention am Arbeitsplatz und Rehabilitation nur annähernd die im Budgetpfad bis 2014 angenommenen Einsparungen hereinbringen. Bei der Hacklerregelung werden auch einige Vergünstigungen aus jener legendär teuren September-Vorwahlnacht2008 zurückgenommen. Ab 2014 soll dann das Antrittsalter für Hackler um zwei Jahre erhöht werden. Doch den Frühpensionsboom wird das nicht stoppen. Außerdem liegt vor 2014 ein Nationalratswahlkampf 2013, in dem Faymann und die SPÖ sicher wieder an den jetzt vereinbarten Verschlechterungen bei der Hacklerpension rütteln werden.


Der Hauptvorwurf, der Faymann und Pröll zu machen ist, betrifft jedoch den Umstand, dass alle Strukturreformen – von den Spitälern über die Schulen bis zur Pflege – bei dieser Budgeteinigung ausgeklammert wurden. Weil beide vor den Ländern gekniffen haben. Dabei ist jedes Budget schon jetzt Makulatur, das etwa die künftige Pflegefinanzierung nicht berücksichtigt. Von einem besseren Unterricht für die Schüler ganz zu schweigen.

Eine Regierung, die der Bevölkerung kein X für ein U vormacht, also nicht den Eindruck vermittelt, sie habe die Staatsfinanzen saniert, würde den Budgetbeschluss 2011 gleich auf März kommenden Jahres verschieben. Verfassungsrechtliche Bedenken haben SPÖ und ÖVP schon bisher nicht gekümmert, für 2011 gäbe es ein Provisorium mit einem Zwölftelbudget pro Monat. Und dann schleunigst ab zur nächsten Klausur. Diesmal mit den Ländern, der Einfachheit halber am besten gleich bei Erwin Pröll in St. Pölten.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2010)

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