Schwerer Managementfehler bei der Währungsunion

Mit der Krise wird offensichtlich, wie naiv die Gründer des Euro vorgegangen sind, und wie viele Konstruktionsfehler noch bereinigt werden müssen.

Es ist ein schlichter Managementfehler gewesen, wie er in jedem Unternehmen passiert. Es wurde ein neues Konzept entwickelt – in diesem Fall die Währungsunion. Und dieses Konzept wurde ohne Rücksicht auf die vorhandenen Gegebenheiten der alten Struktur übergestülpt. Die naive Begeisterung der Entscheidungsträger führte dazu, dass alle annahmen, dass sich die Probleme dadurch selbst erledigen würden. Niemand kalkulierte ein, dass es auch anders kommen könnte: dass sich die interne Kluft weiter verstärkt.

Der Managementfehler lag in der Fusionierung äußerst unterschiedlicher Währungskulturen, ohne deren interne Differenzen zu beseitigen. Weichwährungsländer wie Griechenland oder Portugal durften einfach ihre bisherige Lohn- und Wettbewerbspolitik weiterführen, so, als könnten sie die dadurch entstandenen Verwerfungen weiter durch Abwertungen ausbügeln. Der gesamten Währungsunion wurde ein einheitlicher Zinssatz oktroyiert, ohne auf die sehr unterschiedliche Kreditkultur zu achten. Plötzlich hatten Länder wie Spanien oder Irland einfach zu billiges Geld.

Heute wird deutlich, dass die Komplexität einer gemeinsamen Währungszone völlig unterschätzt wurde. Deutschland pochte von Beginn an auf die Haushaltsstabilität der Teilnehmerstaaten und zwang den Partnern ein enges Korsett an Defizitgrenzen auf. Lange ist behauptet worden, dass die Währungsunion deswegen keine Regeln für einen Staatsbankrott und keinen gemeinsamen Währungsfonds brauche. Diese Fehlentwicklung wird mit dem heutigen EU-Gipfel in Brüssel immerhin korrigiert.

Längst laufen aber auch Bemühungen an, die wirtschaftspolitische Inkohärenz der Euroländer zu reparieren. Die Forderungen nach einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung, nach einer besseren Koordination werden laut. Das Dumme daran ist bloß, dass es dafür eigentlich der schlechteste Augenblick ist. Mitten in der Krise haben problematische Länder wie Griechenland, Spanien oder Portugal kaum Optionen in der Hand, um gegenzulenken. Sie können keine Steuern senken, um das Wachstum anzukurbeln. Sie können Investitionen nicht in nachhaltige Wirtschaftszweige umleiten. Sie können nur noch sparen, kürzen, sanieren.

Was also tun? Die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Er wird dazu beitragen, dass es tatsächlich zu einer Umschuldung maroder Staaten kommen wird. Notwendig wird es aber auch werden, die Wirtschaftspolitik in der Eurozone danach besser zu koordinieren. Naive Gleichmacherei wäre dabei ein ähnlicher Managementfehler, wie er einst schon bei der Gründung begangen wurde. Solange es unterschiedliche Konjunkturentwicklungen gibt, sind unterschiedliche Rezepte für jedes einzelne Euroland zu finden. Steuerharmonisierungen, Angleichungen von Löhnen oder Sozialleistungen wären bloß zusätzliche Fesseln im fragilen volkswirtschaftlichen System.

Sinnvoll wäre es zweifellos, die Wettbewerbsfähigkeit der Nachzügler gemeinsam anzuheben und jenen wirklich essenziellen Fehlentwicklungen entgegenzutreten, die einen Schaden für die gesamte Währungsunion auslösen. Dies hieße beispielsweise, dass es nicht nur Warnungen, sondern auch politische Druckmittel gegen Länder geben müsste, die eine Immobilienblase oder korrupte Banken bedienen beziehungsweise ihre Wirtschaft allzu einseitig ausrichten.

Für eine Einflussnahme auf Länder wie Griechenland oder Portugal wäre dafür derzeit leicht ein Konsens in der EU zu finden. Doch – und das muss allen klar sein – wird es auch einmal andere Länder treffen. Da könnte plötzlich Deutschland gedrängt werden, seine Inlandsnachfrage durch Steuersenkungen anzuheben, oder Österreich könnte gezwungen werden, sein Pensionssystem endlich zu reformieren.

Unangenehm, sehr unangenehm wären solche Eingriffe in die nationale Souveränität. Doch sie wären vor allem dann notwendig, wenn die Verantwortlichen auf nationaler Ebene versagten. Wenn – um wieder den Vergleich mit Managementaufgaben zu ziehen – kontraproduktive Schrebergärten einzelner Abteilungsleiter in eine Teamarbeit übergeführt werden müssen.

E-Mails an: wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2010)

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