Das AKW Zwentendorf ist seit 2001 in Betrieb

Seit 2001 importiert Österreich Atomstrom. Sollen AKW Geschichte werden, müssen wir den Bau von Wasserkraftwerken und Hochspannungsleitungen akzeptieren.

Am Wochenende gab es im japanischen AKW Fukushima die erste Explosion in einem Reaktorblock. Seither sorgt das Kraftwerk für Angst vor einer nuklearen Katastrophe. Am Wochenende gab es auch eine Abstimmung in der Tiroler Gemeinde Neustift im Stubaital. Bei dieser sprachen sich 85 Prozent der Befragten gegen den Ausbau eines Wasserkraftwerks aus. Auf den ersten Blick haben diese beiden Ereignisse nichts miteinander zu tun. Auf den zweiten Blick zeigen sie jedoch das Dilemma der Energiepolitik.

1978 entschied sich Österreich in einer Volksabstimmung gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf. Seither rühmt sich die heimische Politik damit, einer der wenigen atomkraftfreien Flecken in Europa zu sein: Dank Wasserkraft komme aus den Steckdosen nur supersauberer Ökostrom. Das stimmt jedoch schon längst nicht mehr. Seit 2001 reicht die Stromproduktion nicht mehr aus. Strom muss aus dem Ausland importiert werden. Und darunter ist auch ein ganzer Haufen Elektronen, die ihre Energie in Atomkraftwerken erhielten.

Sechs Prozent des 2010 in Österreich verbrauchten Stroms wurden in Kernkraftwerken erzeugt. In absoluten Zahlen entspricht das etwa jener Menge, die das AKW Zwentendorf ans Netz liefern würde. Diese Zahl wird in den kommenden Jahren deutlich steigen. Energieexperten prognostizieren einen kräftigen Anstieg des Stromverbrauchs. So nimmt etwa die Zahl der elektrischen Geräte in den Haushalten laufend zu. Und um den CO2-Ausstoß zu verringern, werden Ölheizungen sukzessive gegen Wärmepumpen ausgetauscht. Der größte Treiber des Stromverbrauchs steht aber noch in den Startlöchern: Elektroautos.

Mit den bestehenden Kraftwerken wird dieser Zuwachs nicht abzudecken sein. Neue Kohle- oder Gaskraftwerke können nicht in großem Stil gebaut werden, will man die Klimaschutzziele ernst nehmen. Daher entschlossen sich in den vergangenen Jahren viele Länder dazu, eine „Renaissance der Kernkraft“ auszurufen und wieder vermehrt auf den CO2-neutralen Atomstrom zu setzen. Die Ereignisse in Japan zeigen jedoch, dass die Atomkraft auch 25 Jahre nach Tschernobyl noch ihre Risken hat und daher maximal als „Brückentechnologie“ gesehen werden darf – wie es etwa die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte.

Langfristig führt an einem Ausbau der erneuerbaren Energiequellen also kein Weg vorbei. Doch auch hier gibt es viele Probleme. Und zwar nicht nur die zurzeit noch fehlende wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit der oft noch jungen Technologien. Wie das eingangs angeführte Beispiel zeigt, gibt es auch überall, wo Wasserkraftwerke geplant sind, massiven Widerstand, seien es nun Speicherkraftwerke in den Alpen, seien es große Laufkraftwerke in der Türkei oder Brasilien. Das Gleiche gilt für die Hochspannungsleitungen, die unabdingbar sind, um etwa die Windparks im Burgenland mit den Speicherkraftwerken in Tirol zu verbinden. Und auch bei neuen Windrädern finden sich sofort ein paar Vogelkundler, die gegen die Errichtung demonstrieren.

Umweltschutzorganisationen spielen dabei ein zumindest blauäugiges Spiel. Sie demonstrieren am Montag gegen AKW, am Dienstag gegen den „CO2-Wahnsinn“ von Gaskraftwerken, am Mittwoch gegen „Monsterwasserkraftprojekte“, am Donnerstag gegen „gesundheitsschädliche“ Hochspannungsleitungen und am Freitag gegen „vogelmordende“ Windräder.

Als mögliche Alternative wird dann eine höhere Effizienz bei der Nutzung von Strom genannt. Diese ist auf jeden Fall notwendig, um den Verbrauchszuwachs zu verringern. Sie wird allein jedoch nicht ausreichen (das Gleiche gilt für die noch viel zu teure Fotovoltaik). Und auch bei der Effizienz gibt es Widerstand, wie das „Glühbirnenverbot“ zeigt, das eigentlich eine Vorschrift über die Mindesteffizienz von Leuchtmitteln war.

Der Blick nach Fukushima sorgt bei vielen Menschen für den Wunsch nach einem globalen Ausstieg aus der Atomkraft. Um eine Welt ohne AKW zu erreichen, bedarf es aber keiner Menschenketten. Dazu braucht es ein Umdenken, vor allem in der Bevölkerung, damit Hochspannungsleitungen, neue Wasserkraftwerke und so manches mehr nicht länger reflexartig abgelehnt werden.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2011)

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