Herr Strasser eignet sich nicht als Lobbyist

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Nach Karl-Heinz Grassers PR-Mann Peter Hochegger hat Ernst Strasser hart daran gearbeitet, dass ein normaler Beruf anrüchig klingt. Wie Brüssel und Washington.

Leitartikel

Dass sich Ernst Strasser laut einschlägigem Video neuerdings als Lobbyist verstanden hat, ist putzig. Es gibt wohl kaum jemanden, der sich weniger gut für diesen Beruf eignet. Der ehemalige Innenminister hat sich sein hemdsärmeliges Image wohl verdient, zeit seiner wechselhaften Karriere hat er sich um das Gegenteil dessen, was einen guten Lobbyisten ausmacht, bemüht: Statt diskret und zurückhaltend im Hintergrund agierte der frühere Landesgeschäftsführer der ÖVP-NÖ polternd und vordergründig. Ruhig und verbindlich geführte Verhandlungen kannte er nur vom Hörensagen. Mit Argumenten und ausführlich formulierten Inhalten zu überzeugen war nie sein Ziel, Entscheidungen fällte er aus dem Bauch heraus und/oder für die Partei. Er rühmte sich gerne, keinen Schreibtisch zu benötigen, ein schnelles Mail vom Laptop aus – und fertig war ein Projekt.

Aber vielleicht glaubte Ernst Strasser einfach den Klischees, die sein eigener Fall nun wieder weiterproduziert: Ex-Politiker besten Alters lassen sich in versteckten Restaurants viel Geld geben, um politische Entscheidungen zu beeinflussen, was aufgrund alter Freundschaften und Abhängigkeiten leicht gelingt. Dass dies aber einfach nur ein krimineller Vorgang ist und nichts mit Lobbying zu tun hat, wird allzu gerne vergessen. Das ist fast verständlich, in kaum einem anderen Land haben sich Einzelne so konsequent bemüht, das Berufsbild in die Nähe des organisierten Verbrechens zu bringen.

Vor Ernst Strasser gab es da im ausgedehnten Sumpfgebiet um Karl-Heinz Grasser etwa die Herren Walter Meischberger und vor allem Peter Hochegger, die unter der Bezeichnung Lobbying (und ein paar verwandten Begriffen wie strategische Beratung und Krisen-PR) offenbar vor allem das Verschieben von großen Summen zum eigenen beziehungsweise befreundeten Vorteil verstanden. Für lächerliche Aufträge wurden Millionen überwiesen. Nur Meischberger, der Mann von der Tankstelle aus Tirol, gab zu, dass er diese potenziellen Tätigkeiten gar nicht kapiert hatte, und fragte Freund Grasser zaghaft, was er denn als seine Leistung nennen sollte.

Für den Videoauftritt des Innenministers hätte man den Begriff „fremdschämen“ erfinden müssen. Er zeigt, dass Strasser nur Lobbyist in eigener Sache war. Und er verfestigt falsche Lobbying-Vorstellungen, die nun in der breiten Öffentlichkeit mit der Europäischen Union assoziiert werden. Lobbyisten gehen einem normalen Geschäft der politischen Kommunikationsbranche nach: Sie werden im Namen von Unternehmen oder bestimmten Institutionen engagiert, um mehr oder weniger einflussreiche Gesprächspartner von einem Vorhaben oder Wunsch dieses Auftraggebers zu überzeugen. Je seriöser und erfahrener der Lobbyist, desto eher bekommt er einen Termin bei einem relevanten Entscheidungsträger. Je überzeugender und besser vorbereitet er ist, desto eher kann er sein Gegenüber überzeugen. Politiker, die noch ein Mandat oder ein anderes Amt haben, sind als Lobbyisten übrigens nicht nur demokratiepolitisch höchst problematisch, sondern im schlimmsten Fall gefährlich korrupt und im harmlosen besten Fall schizophren.

Lobbying ist ein politisches Alltagsgeschäft in einer der am besten funktionierenden Demokratien der Welt, den USA, und wird auch in einem der ambitioniertesten politischen Systeme der Welt, der Europäischen Union, häufig angewandt. Einem auch noch so einflussreichen Lobbyisten kann man sich als Politiker, Journalist oder Beamter leicht entziehen. Man muss einfach nur Nein sagen.


Die nun offensichtlich gewordene mittelosteuropäische Lobbying-Spielart von Strasser und den anderen von der „Sunday Times“ vorgeführten Ex-Ministern, die offensichtlich auf ein dickes Zubrot gehofft haben, wird weder Brüssel noch Washington ändern. Sie haben sich nur um die Politikverdrossenheit in ihren Ländern verdient gemacht und nicht wenige integre Mitarbeiter der lokalen Lobbying-Agenturen diskreditiert. Man kann davon ausgehen, dass Ernst Strasser das völlig kaltlässt. Ihm ging es offenbar nur noch um Ernst Strasser.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2011)

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