Viel Geld, viele Versprechen, keine Verpflichtungen

Das Euro-Rettungspaket ist kein Stück gestärkten Vertrauens und gegenseitigen Respekts geworden, sondern eine Aneinanderreihung fauler Kompromisse.

Eine Hand wäscht die andere – und beide bleiben schmutzig. Nach diesem Prinzip wurde für den Euro ein neues Krisenpaket geschnürt. Es öffnet den Geldhahn für marode Mitgliedstaaten, führt im Gegenzug aber keine wesentlichen Verpflichtungen ein. Dennoch soll es am Freitag dieser Woche von den Staats- und Regierungschefs der EU abgesegnet werden.
Das Paket sollte eigentlich das Vertrauen in die gemeinsame Währung stärken, neue Verantwortlichkeiten festlegen und den gegenseitigen Respekt der Teilnehmerländer erhöhen. Herausgekommen ist ein Sammelsurium zweifelhafter Kompromisse, die eigentlich das Gegenteil befördern: ein unverantwortliches Weiterwursteln auf einem währungspolitischen Hochseilakt, der letztlich alle gemeinsam in den Abgrund zu reißen droht.

Angesichts der Schuldenkrise in Griechenland, Irland, Portugal und Spanien war es durchaus vernünftig, die Regeln für die Euro-Teilnehmer nachzubessern. Deutschland hat als größter Geldgeber des künftig 700 Milliarden Euro schweren Rettungsschirms nachvollziehbare Bedingungen gestellt. Zum einen sollte die Wettbewerbsfähigkeit aller Euroländer besser kontrolliert und zum anderen das Verantwortungsbewusstsein für die Haushaltspolitik geschärft werden. Herausgekommen ist aber ein Paket von reinen Willensbekundungen, die zu nichts verpflichten.

Die deutsche Bundeskanzlerin erhält nur eines: Sie bekommt eine EU-Vertragsänderung, die ihr künftige Klagen vor dem eigenen Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe erspart. Die Regel, dass kein Euroland die Schulden eines anderen Eurolandes übernehmen darf (No-Bail-out), ist damit rechtlich endgültig umschifft worden. Dem EU-Vertrag wurden zwei lapidare Sätze hinzugefügt, die da lauten: „Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus schaffen, der aktiviert wird, wenn dies unerlässlich ist, um die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu sichern. Die Bewilligung finanzieller Hilfen wird unter strikte Bedingungen gestellt.“ Der Berg hat gekreißt, und diese zwei Sätze wurden geboren. Statt dass sich die EU-Regierungen auf klare neue Regeln geeinigt hätten, um Krisen wie in Griechenland oder Irland künftig zu verhindern, wurde ein neuer zahnloser Pakt (Pakt für den Euro) vereinbart, ein alter Pakt etwas aufgemöbelt (Stabilitätspakt) und vor allem viel Geld lockergemacht (Euro-Rettungsschirm).

Das gesamte Paket ist ein Produkt der Packelei von 27 Staats- und Regierungschefs, die wie so oft in der Geschichte der Europäischen Union vor allem ihre innenpolitischen Befindlichkeiten vorangestellt haben. Da hat sich niemand wehgetan, da gibt es keine Sanktionen, keine harten Strafen, keine konkreten Auflagen. Und es gibt schon gar keine demokratische Kontrolle des gesamten Pakets. Hier wurde ein Instrument der höchsten europäischen Politiker geschaffen, die in Zukunft jederzeit Geld lockermachen können, um sich gegenseitig unter die Arme zu greifen. Obwohl ihre eigenen Haushalte dadurch erheblich belastet werden, brauchen sie für die Aktivierung des Euro-Rettungsschirms nicht einmal die Beschlüsse ihrer nationalen Parlamente.

Der ursprüngliche Ansatz, nämlich die Verhinderung einer neuerlichen Schuldenkrise in der Eurozone, ist ins Hintertreffen geraten. Deutschlands Kraftakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Frankreichs Kraftakt für eine Wirtschaftsregierung sind verpufft. Weil dies einen wirklich harten Sparkurs bedeutet hätte, der in den meisten Euroländern innenpolitisch schwer durchsetzbar gewesen wäre, wurde auf automatische Sanktionen für Schuldensünder verzichtet. Weil dies der Renaissance des Nationalismus entgegenstünde und weil es in Zeiten erhöhter EU-Skepsis nicht en vogue ist, bleibt auch eine gemeinsame Aufsicht in Brüssel über die Wirtschaftspolitik der Teilnehmerstaaten ein hohles Konstrukt.
Seien wir doch ehrlich: Unserer Währung, dem Euro, wurden teure Krücken verschrieben, und die Staats- und Regierungschefs der EU werden uns in den nächsten Tagen glauben machen wollen, dass er allein damit wieder auf stabilen Beinen steht.

E-Mails an: wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2011)

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