Nur die Griechen können dem Fass auch einen Boden geben

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Die SPÖ ruft nach einer „europäischen“ Ratingagentur, die Pleitestaaten wie Griechenland freundlicher behandelt. So einfach können Lösungen aussehen.

Leitartikel

Irgendwie hat diese Griechenland-Geschichte etwas zutiefst Deprimierendes. Was auch unternommen wird, das Land versinkt immer tiefer im Schlamassel, niemand scheint ein vernünftiges Rezept zu haben, wie den Griechen zu helfen wäre. Gut, die einen raten zu beinharten Sparprogrammen, die anderen zum Schuldenverzicht der Gläubiger, die Dritten plädieren für eine Kombination aus beidem. Die zur Wahl stehenden Auswege haben leider einen großen Makel: Es ist alles andere als sicher, dass auch nur einer von ihnen zum gewünschten Ziel führt. Sicher ist nur, dass sie alle steil und steinig sind, weshalb sie entweder in Griechenland (Sparpaket) oder bei den Geberländern (Schuldenschnitt) höchst unbeliebt sind.

Sehr verzwickt das alles. Aber zum Glück haben wir ja noch die SPÖ. Deren Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter hat nämlich eine schmerzfreie Lösung des eskalierenden Griechenland-Problems parat. Europa, so Matznetter bei einer Pressekonferenz am gestrigen Dienstag, brauche dringend eine eigene Ratingagentur. Warum? Damit europäische Schuldnerstaaten endlich fair behandelt würden. Mit anderen Worten: Rücksichtslose amerikanische Agenturen „raten“ unbescholtene europäische Schuldnerstaaten mutwillig an die Wand, damit Spekulanten freie Bahn haben, ungehindert ihre Renditen abzuschöpfen. Das müsse ein Ende haben.

Klar, das hat Charme: Eine europäische Ratingagentur, bei der die Politik ein Wörtchen mitzureden hätte, stufte das auf dem schäbigen „Triple C“ rangierende Griechenland einfach auf die Bestnote, das „Triple A“, hoch. Und schwuppdiwupp, schon raufen sich die Anleger aus aller Herren Länder wieder um griechische Staatsanleihen. Nun wäre es ziemlich ungerecht, den zweiten Teil des Lösungskonzepts der österreichischen Kanzlerpartei zu unterschlagen: „Griechenland darf nicht kaputt gespart werden, denn sparen allein bringt noch kein Wirtschaftswachstum.“ Damit hat Herr Matznetter zweifellos recht. Fragt sich nur, woher das Geld fürs Wachstum kommen soll. Antwort: Wenn nicht von privaten Investoren, dann eben von den Partnerländern aus Europa.

Von wem die Mittel auch kämen, man könnte sie genauso gut dem Element Feuer überlassen. Dem Land am südlichen Rockzipfel Europas fehlt nicht nur ein sanierter Haushalt, sondern vor allem eine funktionstüchtige Wirtschaft, wodurch Hilfsgelder und Investitionen keine Früchte tragen und immer neue Rettungspakete nach sich ziehen. Abgesehen von schlagkräftigen Reedereien (die zwar unter griechischer Flagge, aber unter ausländischen Steuernummern segeln) hat das Land jede Menge Steuerhinterzieher und abgeschottete Sektoren anzubieten. Ob Apotheken, Taxler, Anwaltskanzleien, Frächter oder Architekten – fast überall wurde der Wettbewerb abgeschafft, was die schwache Produktivität immer weiter nach unten drückt.

Erst wenn diese Sektoren für den Wettbewerb geöffnet werden (so wie das die EU-Verträge ohnehin vorschreiben), wird wieder frisches Kapital ins Land strömen. Eine umfassende Liberalisierung der Wirtschaft ist auch Voraussetzung dafür, dass die Investoren einen Teil ihres Geldes in den Wind schreiben. Das werden sie nur tun, wenn das Land eine Perspektive hat, die Zukunft in absehbarer Zeit ohne Hilfe zu meistern und den Schuldendienst aus eigener Kraft zu schaffen.

Die „Besitzer“ griechischer Staatsanleihen wissen, dass ein Forderungsverzicht unausweichlich ist. Eine reine Fristverlängerung wäre zwar die beste Lösung, sie dürfte aber zu spät kommen, weil der Schuldenberg längst zu hoch ist. Erleichtert wird der Schuldenschnitt durch jüngste Meldungen, wonach europäische Großbanken ihre Griechen-Bonds mittlerweile bei der EZB abgeladen haben. Damit wurde die Zentralbank zwar zur größten „Bad Bank“ der Welt. Allerdings kann der so gefürchtete „Haircut“ nicht mehr jene Schäden anrichten, vor denen gewarnt wird. Die Großbanken, die im Fall eines Forderungsverzichts wegen ihres Griechenland-Engagements aufzufangen gewesen wären, haben ihre Schäfchen ja nun im Trockenen.

Jetzt muss nur noch das griechische Volk erkennen, dass es dem Fass einen Boden geben muss. Dann hätte auch eine Rettung des Landes wieder Chancen.

E-Mails an: franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2011)

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