Die Töchter brauchen keine Hymne, sondern andere Söhne

Es ist irgendwie bezeichnend: Mit Verspätung werden Österreichs Frauen in einem Lied verankert, das kaum einer vollständig kennt und an dem nicht mehr viel stimmt.

Es ist fast vollbracht, es ist so gut wie geschafft. Österreichs Bundeshymne wird adaptiert, modernisiert und erweist demnächst offiziell auch den großen Töchtern des Landes ihre Reverenz. Halleluja!

Erfreulich ist daran allerdings vor allem, dass es in der ÖVP mit Michael Spindelegger einen Chef gibt, der wenigstens hin und wieder ein bisschen Gespür dafür entwickelt, wie die Partei eigentlich beim Wähler ankommt. Selbst wenn es nur die Wählerin ist. Und Spindelegger hat offenbar erkannt, dass das Verhalten seiner Parteikollegen im Parlament rund um die Präsentation des Entwurfs von Maria Rauch-Kallat (ebenfalls ÖVP) zur Hymnenänderung nicht so wirklich der Heuler war.

Zum Heulen, das schon eher. Die Taktik, Rauch-Kallat mit Endlosreden über Zuchtschweine und Süßstoff daran zu hindern, ihren Vorstoß zu begründen, hatte das intellektuelle Niveau der Altersklasse, die gern „Furz“ sagt und mit Gatschknödeln wirft. Die Rechtfertigung dafür war, dass Rauch-Kallat sich vorher nicht mit der Klubführung abgesprochen und den Antrag gemeinsam mit Vertreterinnen anderer Parteien eingebracht hatte. Und das geht so nicht.

Zumindest nicht in Österreich. Was uns vor die Frage stellt, was die offizielle Beschwörung der großen Töchter eigentlich bringen soll. Sicher, es ist eine nette Geste. So aus dem Stegreif fielen einem im Zusammenhang mit dem Komplex Gleichstellung/Gleichbehandlung/Gleichberechtigung, um den es hier ja geht, allerdings auch noch ein paar andere Gesten ein. Vielleicht nicht alle ganz ladylike, sicher aber aussagekräftiger als die Mädels in der Hymne.

Den meisten großen und kleinen Töchtern dürfte es ziemlich egal sein, ob sie in Zukunft vor jedem zum Fiasko verdammten Fußballländerspiel explizit erwähnt werden. Und das ganz zu Recht. Denn ist es wirklich so ein Renommee, in einem Lied vorzukommen, das kaum noch einer vollständig kennt (tut mir leid, das ist einfach so) und an dem außer der Topografie mit Berg und Strome praktisch nichts mehr stimmt? Die Hämmer sind in billigere Produktionsländer abgewandert, das starke Herz droht zu verfetten (glaubt man zumindest den Übergewichtsstatistiken), und dass Österreich mutig in irgendwelche neuen Zeiten schreitet, kann man selbst mit sehr viel Fantasie nicht behaupten. Nicht angesichts der fest verankerten Besitzstandswahrungs-, Abschottungs- und „Ich fürcht mich vor allem Neuen“-Mentalität.

Genau diese Mentalität aber ist es, die Österreichs Töchtern viel mehr zu schaffen macht als alle hymnischen Auslassungen. Was sie bewirkt, liegt auf der Hand: zu wenig oder zu halbherzige Unterstützung bei der Kinderbetreuung, die auch viele gut ausgebildete Frauen in die Teilzeitfalle tappen lässt, eine Gehaltsschere, die sich nicht und nicht schließen will, und zu wenig Frauen in Führungspositionen. Dazu kommt jetzt offenbar noch ein neues Element. Österreichs Männer wollen nicht mehr so gern Vater werden – und zwar angeblich, weil ihnen erstens Windelwechseln undArbeiten dann doch zu anstrengend sind und weil sie zweitens Angst haben, dass ihnen ihre (wirtschaftlich unabhängigen) Frauen samt Kindern irgendwann abhanden kommen könnten.

Nicht ganz die Söhne, die die großen Töchter verdienen würden. Dahinter steckt nämlich eine in ihrer Deutlichkeit verblüffende Absage an ein zeitgemäßes Familienleben mit Lastenteilung, ohne das Österreichs Frauen sich die echte Gleichstellung weiterhin aufzeichnen dürfen. Da können wir lange so tun, als würden wir gerne verstehen, wie das die Schweden machen oder die Dänen. Solange sich weite Teile der österreichischen Gesellschaft so benehmen, als würden sie sich ihre Frauen in Wahrheit zurück an den Herd wünschen, werden wir es nicht kapieren.

Ohne den Vorstoß von Rauch-Kallat und Kolleginnen schmälern zu wollen, könnten die hymnischen Töchter leider vor allem den Männern vom Typ Gatschknödel-Schmeißer nützen. Denn die werden bei der nächsten Forderung aus dem Dunstkreis der Gleichbehandlung garantiert süffisant feststellen: „Na, was denn noch? Reicht euch die Bundeshymne vielleicht nicht?“ Seite 3

E-Mails an: doris.kraus@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2011)

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