Die ORF-Wahl als jüngstes Stück der Löwingerbühne Österreich

Inhalte spielen keine Rolle, Qualität ist kein Kriterium, ein Millionendefizit kein Grund für Reformen: Hauptsache, im ORF passiert, was die Politiker wollen.

Am Dienstag wählt der Stiftungsrat des ORF dessen neuen Generaldirektor. Unter den vielen pseudodemokratischen Löwingerbühnenveranstaltungen, die dieses Land zu bieten hat, gehört die Wahl des ORF-Chefs zu den erbärmlichsten. Die Schlacht um den Küniglberg ist längst vorbei, entschieden vom Kindersoldatenspezialkommando der SPÖ, Laura Rudas und Nikolaus Pelinka. Die beiden dominieren die Medienpolitik der Sozialdemokratie und genießen das Vertrauen des Bundeskanzlers. Dass halb gebildete Mittzwanziger seinen Horizont erweitern können, muss einen wahrscheinlich nicht einmal sonderlich wundern.

Alexander Wrabetz wird also für weitere fünf Jahre Generaldirektor des ORF. Seine Bewerbung, eine elegant gestaltete und aufwendig gedruckte Jubelbroschüre, ist eine Farce. Offensichtlich von Mitarbeitern zusammengestoppelt wie ein Parteiprogramm, enthält es an Neuem nur die relativ dreisten Forderungen nach mehr Sendern, mehr Gebühren und mehr Werbezeiten. Die Privatsendervertreter, die das kritisiert hatten, bezeichnete Wrabetz im Vorfeld der Wahl als „Westentaschen-Murdochs“. Die Verleger, sollte das heißen, versuchten, unlauteren Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nehmen, so wie das Rupert Murdoch mit der britischen BBC versucht habe.

Die Chuzpe ist auch nicht schlecht für einen, der von Kanzlers und Staatssekretärs Gnaden auf seinem Posten sitzt und sich permanent von einem größenwahnsinnigen Sozenschnösel vorführen lässt, der genüsslich berichtet, wie ihn „der Alex“ fragt, was er tun soll.

Was sich im und um den ORF während des vergangenen Jahres abgespielt hat, ist eigentlich unfassbar. Nachdem die amtierende Geschäftsführung den Sender inhaltlich und finanziell an die Wand gefahren hatte, schlug die Stunde der Warlords auf dem Ballhausplatz. Die sind, wie alle anderen Politiker auch, an der Qualität und an der wirtschaftlichen Performance des Senders vollkommen uninteressiert. Solange die ORF-Chefs machen, was den Politikern passt, können sie Millionen verbrennen. Wird alles ersetzt. Die ÖVP spielt derzeit in diesem Spiel nicht mit. Zunächst hatte Klubobmann Karl-Heinz Kopf den ORF und die Medien an sich gezogen und dabei seinem Namen nicht eben Ehre gemacht. Jetzt hat man wiederum Kopf entmachtet, und der neue Parteichef Michael Spindelegger hat den ORF zur „Chefsache“ erklärt. Das Ergebnis ist bekannt. Dass die ÖVP jetzt so tut, als sei sie die einzige Partei, die sich an der politischen Instrumentalisierung des ORF nicht beteiligt, ist ein herziger Versuch, „Haltet den Dieb!“ zu kreischen. Moral entsteht nicht automatisch dadurch, dass man zu dumm ist, ein Verbrechen zu begehen.

„Alles bleibt besser“, lautete einer der besseren Slogans des ORF. Es stimmt: Beim ORF bleibt mit dieser Wahl alles, wie es ist. Und das ist zumindest besser, als es bald gewesen sein wird. Obwohl sich an den strukturellen Problemen des Senders – zu viele Mitarbeiter, zu wenig Vielfalt, zu wenig politische Unabhängigkeit, zu viel Betriebsratsmacht – nichts ändert, tun jetzt alle so, als sei der ORF mit den 160 zusätzlichen Millionen, die man ihm als Gegenleistung für seine politische Willfährigkeit zugesteckt hat, saniert. Es wird sich bald herausstellen, dass dem nicht so ist.


In der Zwischenzeit wird die Geschäftsführung Wrabetz II versuchen, sich politisch so weit einzugraben, dass die Gelder, die nötig sind, um den hypertrophen Apparat am Laufen zu halten, weiter sprudeln. Inhaltliche Fragen wie jene, wozu, außer für die Stimmen des Betriebsrates bei der Generalswahl, der ORF einen technischen Direktor braucht, stellt sich niemand. Strukturfragen folgen ausschließlich der parteipolitischen Logik, Inhalte spielen keine Rolle. Dass in der ORF-Information „Unabhängigkeit“ mit der ungehinderten Befriedigung der ideologischen Bedürfnisse der Mitarbeiter verwechselt wird, kümmert auch längst niemanden mehr.

Und offensichtlich gibt es in diesem Land noch eine ausreichende Zahl von angesehenen Menschen, die sich dafür hergeben, dieser Farce so etwas wie demokratische Legitimität zu verleihen. Wie sich das Amt eines ORF-Stiftungsrates mit einem Minimum an Selbstachtung vereinbaren lässt, verstehe, wer kann.


E-Mails an: michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2011)

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