Ollis genialer Euro-Trick: Aus eins mach fünf

Mit dem „gehebelten“ Euro-Rettungsschirm werden auch die nationalen Parlamente ausgehebelt und die Schleusen zur Euro-Inflationierung geöffnet.

Noch nicht einmal aufgespannt, ist der Euro-Rettungsschirm ESFS schon zu klein. Viel zu klein: Man wird ungefähr fünfmal so viel brauchen, wie die nationalen Parlamente der EU-Staaten gerade erst (und noch nicht einmal vollzählig) genehmigt haben. Also mehr als zwei Billionen statt der beschlossenen 440 Milliarden Euro. Da ist guter Rat natürlich teuer. Denn wenn eines sicher ist, dann das, dass eine Verfünffachung der deutschen EFSF-Garantien niemals durch den Berliner Bundestag geht. Und dass die österreichischen Parlamentarier einer Ausweitung der Haftung der hiesigen Steuerzahler für Pleitestaaten von 21 auf über 100 Milliarden problemlos zustimmen, darf wohl auch bezweifelt werden.

Macht aber nichts, denn EU-Währungskommissar Olli Rehn hat ja schon die Lösung gefunden: Man müsste einfach „aus einem Euro fünf machen“, hat er neulich gesagt. Und in der Zwischenzeit gehört das Wort „Hebeln der Rettungsschirm-Mittel“ schon zum Stehsatzrepertoir jedes Euroland-Finanzministers. Es wird also wohl so kommen.

Dass mit dem „Hebeln“ der Rettungsschirm-Milliarden zuallererst einmal die nationalen Parlamente ausgehebelt werden, stört offenbar niemanden. Darum hat man sich im „Europa der Eliten“ ohnehin noch nie sonderlich gekümmert. Die Österreicher werden also ungefragt und ohne große Formalitäten für mehr als 100 Milliarden Euro haften. Denn natürlich wirkt ein Hebel, wenn es schiefläuft, nicht nur in die gewünschte Richtung, sondern hat dann die ungute Eigenschaft, auch das eingesetzte Kapital „gehebelt“ (also ein Vielfaches davon) zu vernichten.

Dass den Euroland-Verantwortlichen Demokratie offenbar zu mühsam wird, sie aber nicht den Mut und die Kraft aufbringen, auf europäischer Ebene entsprechende Strukturen zu schaffen, ist das eine. Dass sie mit diesem Versuch, die nationalen Parlamente zu umgehen, den finanztechnischen Super-GAU in der Eurozone riskieren, das andere, noch viel ernstere Problem. Denn die Eurozone ist gerade dabei, einen Mechanismus zur unbegrenzten Finanzierung der Pleitestaatenparty zu installieren, ohne auf der anderen Seite einen Mechanismus zu haben, mit dem sich die Ausgaben auf dieser Party steuern oder auch nur beeinflussen lassen.

So, wie es aussieht, wird die für 2013 geplante Nachfolgeorganisation des EFSF (des Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM) nämlich eine Banklizenz bekommen. Die wird es ihr – wie jeder Bank – erlauben, wesentlich mehr Mittel zu vergeben, als sie selbst hat. Das ist an sich nicht außergewöhnlich, sondern tägliches Bankgeschäft. Den Unterschied macht das Wie.

Der ESM wird Anleihen ankaufen, die bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheiten für neue Kredite hinterlegt werden können, mit denen dann wieder Anleihen angekauft werden etc. Auf diese Weise kann der ESM seine Mittel mit „frisch gedrucktem“ Geld nach Lust und Laune „hebeln“, denn Staatsanleihen gelten ja, egal, wer sie emittiert, als „sicher“ und müssen nicht mit Eigenkapital „unterlegt“ werden.

Genau genommen ist das eine (durch Zwischenschaltung des EMS notdürftig kaschierte) Form der direkten Staatsfinanzierung durch die Notenpresse und der EZB eigentlich verboten. Das stört aber niemanden, denn de facto hat die Notenbank dieses Verbot mit dem Ankauf von Staatsanleihen ohnehin schon aufgeweicht.

Der Euroraum wird also einen finanziellen Selbstbedienungsladen für Pleitestaaten bekommen. Es wird aber weiter keine Möglichkeit geben, auf die Verwendung der Mittel in diesen Staaten direkt Einfluss nehmen zu können. Das führt dann zu der kürzlich von der „FAZ“ gestellten Frage, wer denn noch sparen soll, „wenn der Krisenfonds die Party finanziert“. Die einzige Bremse gegen dieses todsichere Rezept zur Inflationierung des Euro wäre die Europäische Zentralbank selbst, die theoretisch die Annahme von „Sicherheiten“ in Form von mehr oder weniger werthaltigen Staatsanleihen begrenzen könnte. An deren Spitze macht Jean Claude Trichet, der als Gegner dieser Form von Voodoo-Banking gilt, gerade dem Italiener Mario Draghi Platz. Ein gutes Omen für den Werterhalt des Euro ist das nicht.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2011)

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