Belanglose Begehren: Erst diskutiert, dann archiviert

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Während das Volk von Griechenland nun doch nicht zur Abstimmung gerufen wird, erreicht in Österreich die Volksbegehren-Inflation neue, wirkungslose Höhen.

Während die angekündigte Volksabstimmung in Griechenland nun doch nicht stattfindet, ist in Österreich eine neue Hochphase der (harmloseren) Volksbegehren angebrochen. Die politisch vielfärbige Reforminitiative „Mein Österreich“ plant gerade ein solches. Atheistische Aktivisten sind soeben dabei, die nötigen 8032 Unterstützungsunterschriften für die Einleitung ihres Anti-Kirchenprivilegien-Volksbegehrens zusammenzukratzen. Hannes Androsch ist da schon weiter: Seit gestern kann sein Bildungsvolksbegehren unterschrieben werden.

Ohne den engagierten Citoyen schon vorab desillusionieren zu wollen (er weiß es als ehemaliger Spitzenpolitiker ohnehin selbst am besten): Sein Begehren wird, wenn es erwartungsgemäß 100.000 Unterschriften übertrifft, im Parlament diskutiert und danach archiviert werden. So ist der Brauch.

Das in den zurückliegenden Jahren beinahe inflationär eingesetzte Instrument des Volksbegehrens ist nämlich ein weitgehend wirkungsloses. Oder erinnert sich noch jemand an die Auswirkungen des Sozialstaat-Volksbegehrens, des Anti-Eurofighter-Volksbegehrens, des Motorrad-, Gentechnik-, Tierschutz- oder Frauen-Volksbegehrens? Echte realpolitische Relevanz hätte ein Volksbegehren nur dann, wenn ab einer bestimmten Unterzeichnerzahl eine Volksabstimmung zwingend wäre. Derzeit kann eine Volksabstimmung nur über ein bereits beschlossenes Gesetz abgehalten werden.

Zudem wurden Volksbegehren immer wieder von Parteien für Kampagnenzwecke missbraucht, lange Zeit war dies eine Spezialdisziplin der FPÖ: von Haiders Anti-Ausländer-Volksbegehren 1993, das nahezu bürgerkriegsähnliche Zustände hervorrief, bis zu Straches Anti-EU-Volksbegehren 2006. 1997 waren die Freiheitlichen übrigens mit einem Anti-Euro-Volksbegehren ins Feld gezogen. Der Erfolg (253.949 Unterschriften) war bescheiden. Heute sähe das wahrscheinlich anders aus.

Dass es keines dieser herkömmlichen Parteibegehren ist, spricht immerhin für Androschs überparteiliche Initiative. Dies ist auch der tiefere Sinn von Volksbegehren. Dass Bürger, die sich nicht von einer Partei vertreten fühlen oder vertreten lassen wollen, die Möglichkeit haben, unerträgliche Zustände, die auch nach den nächsten Wahlen voraussichtlich nicht zu ändern sein werden, medial und politisch zu thematisieren. Beim Rundfunk-Volksbegehren 1964 ist dies gelungen. Den parteipolitischen Einfluss im ORF gibt es zwar immer noch, aber wenn man Zeitzeugen glauben darf, soll er vor dem Volksbegehren noch wesentlich ärger gewesen sein.

Auch für Volksbegehren sollte gelten: Weniger ist mehr. Vor allem, wenn sie so unklar formuliert und mit Allgemeinplätzen versehen sind wie das aktuelle Bildungsvolksbegehren. Eine bessere Schule? Will jeder. Und es ist auch nicht so, dass dieses Thema in unserer Gesellschaft totgeschwiegen würde. Ganz im Gegenteil. Es reden wahrscheinlich zu viele Experten mit.

Dennoch ist es prinzipiell gut, dass es auch in einer repräsentativen Demokratie Elemente der direkten Demokratie gibt. Wobei ein Volksbegehren lediglich ein besserer Stimmungsmacher ist. Im Gegensatz zur Volksabstimmung, die bei allen Bedenken, die es geben mag, dem Volk durchaus zuzumuten ist. So gut über die EU informiert wie vor der Volksabstimmung über den Beitritt war die hiesige Bevölkerung weder vorher noch nachher.

Eine Staatsführung sollte sich vor dem mündigen Bürger nicht fürchten. Gerade bei existenziellen Fragen, wie jenen, vor denen Griechenland gerade steht, hat der Souverän – in Demokratien eben die Bürger eines Staates – durchaus das Recht mitzubestimmen.

Bemerkenswerte Pointe am Rande: Die „Kronen Zeitung“ – hierzulande als vehemente Verfechterin von Volksabstimmungen aller Art, vor allem aber europäische Belange betreffend, bekannt – wollte den Griechen eine solche nun nicht zugestehen. Quod licet Iovi, non licet bovi – wie in diesem Fall nicht die Griechen, sondern die Römer zu sagen pflegten.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2011)

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