Wieder einmal nahe dran an der „Skandalrepublik“

Buwog, Staatsbürgerschaften, Telekom, Inserate – der U-Ausschuss zu allem und jedem hat begonnen. Der Diplomatenpass ist da noch das geringste Problem.

Zur Abrundung der Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate fehlt jetzt eigentlich nur noch die Meldung, dass auch Nikolaus Pelinka im Besitz eines Diplomatenpasses ist.

Auch unter dem Eindruck des nun beginnenden Untersuchungsausschusses steht Österreich derzeit beinahe wieder in jenem Zwielicht, in dem es Anfang der 1980er-Jahre nach Ende der sozialdemokratischen (damals noch sozialistischen) Alleinherrschaft gestanden war, als der Begriff von der „Skandalrepublik“ die Runde machte.

In (grober) Abwandlung eines Karl-Kraus-Zitats könnte man sagen: Wenn die Sonne einer politischen Hochkultur niedergeht, dann kommen auch die Untaten der Zwerge aus dem Schatten ans Licht. So werden nun im U-Ausschuss vor allem die mutmaßlichen Malversationen der schwarz-blauen Ära verhandelt. Allerdings ist auch die dubiose Inseratenvergabe der derzeitigen sozialdemokratischen Regierungsspitze bereits Gegenstand der Untersuchungen.

Der Fokus liegt jedoch (noch) auf den aufklärungswürdigen Machenschaften schwarzer, blauer und oranger Verantwortungsträger: Politiker, die gegen Parteispenden Staatsbürgerschaften versprochen haben (zumindest hat dies ein Gericht in erster Instanz so festgestellt). Politiker, die sich Jahre nach ihrer Regierungszeit vom staatsnahen Telekom-Unternehmen bezahlen ließen – oder vom Rüstungskonzern, dem sie einst einen Milliardenauftrag verschafft haben. Freunde von Politikern, die von deren Privatisierungen finanziell profitiert haben (sofern die Politiker nicht selbst davon profitiert haben). Wobei es sich meist um dieselben Politiker handelt, die immer noch mit einem Diplomatenpass um die Welt reisen.

Nun ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Verantwortungsträger, die im Dienste der Republik – und zwar aktiv – unterwegs sind, über einen Diplomatenpass verfügen, der es ihnen ermöglicht, möglichst zügig und unkompliziert von A nach B zu kommen. Aber ein Waffenlobbyist, dessen einzige Legitimation es ist, der Ehemann einer ehemaligen Ministerin zu sein?

Auch der Sinn eines Diplomatenpasses für Minister a.D. an sich darf stark angezweifelt werden. Da müssen deren Inhaber gar nicht Hubert Gorbach, Ernst Strasser oder Karl-Heinz Grasser heißen. Doch das wird nun ohnehin abgestellt. Allerdings wäre das wohl nicht passiert, würden Diplomatenpassinhaber nicht Hubert Gorbach, Ernst Strasser oder Karl-Heinz Grasser heißen.


Doch der Diplomatenpass scheint noch das geringste Problem zu sein. Die Vorwürfe in den U-Ausschuss-Untersuchungsgegenständen Buwog, Telekom, Blaulichtfunk, Staatsbürgerschaften, Glücksspielgesetzlockerung (Novomatic) und Inseratenvergabe wiegen weit schwerer. Man könnte zu diesen Fallen von mutmaßlichem politischen Missbrauch auch noch den politischen Selbstbedienungsladen ORF hinzuzählen.

Auf die Frage nach dem Warum sind eigentlich nur zwei Antworten möglich: Entweder werden nur solche Menschen Politiker, die es von Grund auf darauf abgesehen haben, jene Möglichkeiten, die sich ihnen in einer solchen Position bieten, für ihre persönlichen Zwecke auszunutzen. Oder sie, die als Idealisten begonnen haben, werden vom System peu à peu korrumpiert. Weil schließlich machen es ja alle so, warum also nicht auch ich irgendwann.

Wiewohl: Es sind nicht alle so. Dennoch ist es erstaunlich, dass sich angesichts der zu befürchtenden Aufdeckung – meist eben erst dann, wenn man selbst nicht mehr an der Macht ist beziehungsweise nicht mehr die Macht hat, es zu verhindern – immer wieder Politiker trauen, es mit dem Rechtsstaat, der auch für sie, gerade für sie, gilt, nicht so genau zu nehmen. Aus diesem Grund sollte man auch annehmen, dass sich Politiker etwa bei Rüstungskäufen, bei denen die Medien und die Öffentlichkeit aus gutem Grund dreimal so genau hinsehen, strikt an die Regeln halten. Dazu gab es bereits einen U-Ausschuss. Die „smoking gun“ wurde zwar nicht gefunden, aber erhebliche Zweifel blieben.

Übrigens: Nikolaus Pelinka hat keinen Diplomatenpass. Noch nicht.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2012)

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