Die Endphase im Ringen um die iranische Bombe hat begonnen

Wenn das Ölembargo nicht wirkt, gibt es nur noch zwei Optionen. A: Militärschläge gegen Irans Atomanlagen. Oder B: Die Welt duldet die Bombe der Mullahs.

Das Arsenal der Sanktionsmöglichkeiten gegen den Iran leert sich. Diverse Einreiseverbote sind verhängt, verschiedenste Konten gesperrt, und jetzt beschlossen die EU-Außenminister auch noch ein Ölembargo. Ziel der Strafmaßnahme sei es, die Iraner zu einer Verhandlungslösung im Dauerstreit um deren Atomprogramm zu bewegen, beteuerte die EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton.

Dahinter steckt die Idee, oder vielmehr: die Hoffnung, dass Irans Regime irgendwann einmal die Finger vom Bau einer Atombombe lassen muss, wenn die diplomatische Herdplatte nur heiß genug ist. Tatsächlich hat Europa nun die Temperatur so hinaufgedreht wie nie zuvor. Mit dem Ölembargo, das spätestens ab 1. Juli voll in Kraft treten soll, fügt die wirtschaftlich angeschlagene Union nicht nur Teheran Schmerzen zu, sondern auch sich selbst. Denn schon jetzt, bei einem Ölpreis von 110 Dollar pro Fass, rotieren die Ziffernblätter an den Zapfsäulen beunruhigend schnell.

Das Endspiel hat begonnen. Die Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde werden eindringlicher. Immer noch schwört das iranische Regime Stein und Bein, keine Bombe bauen zu wollen. Doch die Last der Indizien wird von Mal zu Mal drückender. Warum die hochgradige Anreicherung des Urans, warum die Tests mit hyperschnellen Zündern, warum Neutronen-Initiatoren, warum Hohlkugeln? Damit hantiert nur, wer einen Nuklearsprengsatz basteln will.

Sanktionen, Sabotage und gutes Zureden haben bisher nichts geholfen. Der Iran hat sein Atomprogramm weiter vorangetrieben. Wenn, was letztlich zu erwarten ist, auch das Ölembargo keine Verhaltensänderung bewirkt, liegen praktisch nur noch zwei Optionen auf dem Tisch: Die eine läuft darauf hinaus, die iranische Bombe zu dulden, so wie man auch die chinesische, pakistanische oder auch israelische akzeptiert hat. Die andere Möglichkeit besteht darin, das Atomprogramm mit militärischen Mitteln zurückzuwerfen. Ein „idealer“ Zeitpunkt dafür könnte aus israelischer Sicht der US-Wahlkampf sein. Präsident Obama wäre aus innenpolitischen Gründen gezwungen, sich hinter einen etwaigen israelischen Angriff auf iranische Nuklearanlagen zu stellen.

Eine atomare Bewaffnung des Iran hinzunehmen wäre aus vier triftigen Gründen unratsam. Erstens käme angesichts der iranischen Regionalmachtbestrebungen ein turbulenter Rüstungswettlauf am Golf in Gang. Zweitens bestünde die akute Gefahr, dass der Iran die Atomwaffentechnologie an Verbündete weiterreichen würde. Drittens erhöhte sich schon rein mathematisch das Risiko eines Atomkriegs, je mehr Akteure über solche Waffen verfügen. Viertens, und das ist der wesentliche Punkt, kann man bei der Führung der Islamischen Republik einfach nicht sicher sein, ob sie rational handelt. Diese Ahnung muss jeden beschleichen, der einmal eine der seltsamen Reden von Ahmadinejad, samt Auslöschungsdrohungen gegen Israel, vom Anfang bis zum Ende gehört hat.

Und die Alternative? Niemand forciert derzeit ernsthaft Militärschläge gegen Irans Atomanlagen; Israel droht zwar regelmäßig damit, aber seine Geheimdienste warnen auch mindestens ebenso oft davor. Erstens schlüge Irans Regime über seine Stellvertreter und verbündeten Terrorgruppen zurück (allerdings nur bei einem selbstmörderischen irrationalen Aussetzer in einem Ausmaß, das seinen eigenen Bestand gefährdet). Zweitens triebe eine solche Aktionen den Ölpreis weiter nach oben. Drittens könnte die iranische Regierung (für eine kurze Zeit) das Volk hinter sich scharen; die Hardliner wären gestärkt, aber das sind sie jetzt auch schon. Viertens wäre das über das ganze Land verteilte und teils unterirdisch versteckte iranische Atomprogramm nach Luftangriffen vielleicht geschwächt, aber sicher nicht ausgelöscht.

Es wäre wieder nur Zeit gewonnen. Im Zweifel wäre dies jedoch einem noch unberechenbareren Szenario vorzuziehen: einem Iran mit Atombomben.

So weit muss es nicht kommen. Wenn das Ölembargo wirkt, wenn der Iran einlenkt und den umstrittenen Teil seines Atomprogramms einstellt. Es ist möglicherweise die letzte Hoffnung, bevor sich die Wahl zwischen zwei schrecklichen Optionen stellt.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2012)

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