Die Defizite der Anti-Strachisten

Gegen den FPÖ-Chef einerseits und großkoalitionäre Erstarrung andererseits könnten neue Köpfe an der Spitze von SPÖ, ÖVP und Grünen helfen. Wenn es schon mit der Sachpolitik nichts wird.

Vom Mangel an Alternativen in der innenpolitischen Arena war und ist hier häufig die Rede. Davon, dass die Große Koalition in ihrer Angst vor Heinz-Christian Strache aneinandergekettet ist. Selbst wenn der FPÖ-Chef Strache in Umfragen wegen dumm-dreister Aussagen und Vollkörper-Anstreifens am Rechtsaußen-Eck in Umfragen angeblich ein, zwei Prozentpunkte verliert, weiß jeder: Er wird wieder zulegen. Dabei hilft ihm die Regierung, wenn das, was aus den Budgetverhandlungen an befreundete Formate von Bundes- und Vizekanzler durchdringt, stimmt. Nicht wenig bleibt unter den eigenen, tief gesteckten Erwartungen und wird nicht ausreichen, um Land und Budget zu sanieren. Vieles wird in künftige Verhandlungen mit luftigen Zielvorgaben verschoben. Das hat den Vorteil, dass Verantwortung geteilt wird und mit Glück Krise und Spardruck von allein zurückgehen.

Verkauft wird das alles mit einem hübschen Argumentarium: Es sei besser für das Land, auf langfristige strukturelle Reformen als auf kurzfristige Einmaleffekte und Konsum behindernde Sparmaßnahmen zu setzen. Daher wird es dann doch nichts mit zwei Milliarden gegen das Defizit in diesem Jahr. Aus Angst vor der eigenen SPÖ- und ÖVP-Klientel passiert eben beides nicht.

Für dieses innenpolitische Dauerdilemma gibt es klare Verantwortliche. Aktuell heißen sie in machtpolitisch absteigender Reihenfolge: Werner Faymann, Michael Spindelegger – der noch kein ganzes Jahr – und Eva Glawischnig. Bei SPÖ-Chef Faymann spricht viel dafür, dass er einfach nicht mehr 30Prozent erreicht. Mehr kann er nicht. Dass eine Oppositionspolitikerin wie Eva Glawischnig in der aktuellen Situation nicht automatisch zulegt, wie etwa die deutschen Grünen oder Links- beziehungsweise Rechtspopulisten anderswo, ist erstaunlich, zumal Glawischnig nicht etwa wegen großer Sachkenntnis oder ideologischer Tiefe unpopuläre inhaltliche Festlegungen fürchten muss. Michael Spindelegger mag sich da schwerer tun. Er teilt das Schicksal mit vielen intelligenten, braven leitenden Angestellten: Wenn sie plötzlich an der Spitze stehen, geht weniger Begeisterung durch die Reihen hinter ihnen, sondern zustimmende, freundliche Langeweile. Das mag ungerecht sein, aber so funktioniert Demokratie. Zumal es Persönlichkeiten mit mehr Wählerpotenzial als die amtierenden gäbe: Christian Kern in der ÖBB/SPÖ etwa, der emotionale Reinhold Mitterlehner oder Maria Fekter nach einem Englisch- und Rhetorikkurs in der ÖVP, Maria Vassilakou bei einem Ausstieg aus der Wiener Gebührenkoalition oder Rudi Anschober. Sie hätten vielleicht bessere Karten und brächten so neue Koalitionsvarianten.

Für die Beurteilung von Josef Bucher und BZÖ-Politikern fehlt hier leider der Platz.

Oder die politiknahen Raunzer und Dauer-Koalitionskritiker ändern sich! Versuchen nicht nur weitere 40Jahre SPÖ-ÖVP-Politiker schlechtzureden und sich zu beklagen, sondern unternehmen endlich selbst etwas! Gründen etwa eine neue Partei. Gehen in die Politik. Oder schweigen für immer.



rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2012)

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