Was kommt am Tag nach dem Iran-Krieg, den keiner will?

Für Israel ist ein Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen die bessere Option, als eine Bombe der Mullahs zu dulden. Doch gelöst wäre das Atomproblem damit nicht.

Keiner kann den Krieg wollen, weder Israel noch der Iran noch die USA, und Europa schon gar nicht. Und dennoch steigt von Tag zu Tag die Gefahr, dass der seit nunmehr fast zehn Jahren anhaltende Konflikt um das iranische Atomprogramm noch heuer in eine militärische Konfrontation mündet. Es wäre nicht der erste Krieg wider Willen.

Ein Iran mit Atomwaffen ist für Israel aus mehreren Gründen inakzeptabel. Dass die Regierung in Jerusalem Drohungen der iranischen Führung, den jüdischen Staat von der Landkarte zu tilgen, ernst nimmt, ist nicht nur historisch und psychologisch, sondern auch strategisch und geografisch nachzuvollziehen.

Israel hat zwar seinerseits Atombomben im Arsenal, doch die Fläche des von Juden bewohnten Landstrichs zwischen Mittelmeer und dem Jordan ist ungefähr 75-mal kleiner als die Islamische Republik. Das relativiert die Idee von einem etwaigen Gleichgewicht des Schreckens. Israel könnte in einem Erstschlag ausgelöscht werden. Zudem lassen messianische Ideologie und Märtyrer-Rhetorik immer wieder Zweifel aufkommen, ob die Islamische Republik von rationalen Akteuren geführt wird.

Aber selbst wenn der Iran aus Furcht vor einem Gegenschlag letztlich vom Einsatz einer Nuklearbombe absähe, böte ihm ein Status als Atommacht bedeutende Vorteile: Unter einem iranischen Atomschutzschirm könnten Verbündete wie die libanesische Hisbollah oder auch der palästinensische Islamische Dschihad aggressiver als bisher gegen Israel vorgehen. Ja, sie könnten sogar aus Teheran mit Nuklearmaterial versorgt werden. Ein Albtraum für Israel, ganz abgesehen davon, dass fast die gesamte Region einen nuklear aufgerüsteten Iran als Bedrohung empfände.

Von Ägypten bis Saudiarabien begänne ein Land nach dem anderen mit dem Bau von Atombomben, um einer Vormachtstellung des Iran entgegenzutreten. Je mehr Staaten aber die Massenvernichtungswaffen besitzen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie irgendwann einmal zum Einsatz kommen.

Genau deswegen bemüht sich die internationale Gemeinschaft seit 2002 mit wachsender Verzweiflung, das iranische Atomprogramm zu stoppen. Frankreich, Deutschland und Großbritannien haben dem Iran mit dem Segen der USA wiederholt großzügige Angebote unterbreitet: Wirtschaftskooperation, Aufnahme in die Welthandelsorganisation, Ende der Sanktionen. Die USA offerieren zudem eine Normalisierung der seit 1979 eingefrorenen Beziehungen, wenn der Iran bereit wäre, die Anreicherung von Uran zu suspendieren bzw. einzuschränken und Atominspektoren umfassende Kontrollrechte einzuräumen.

Der Iran hätte es in der Hand, mit Gewinn aus dem Atompoker auszusteigen. Doch mittlerweile zählen andere Kategorien als die Abwägung von Pro und Kontra. Es geht um Nationalstolz, um Gesichtswahrung. Eine diplomatische Lösung kann nicht so aussehen, dass die Iraner reumütig zu Kreuze kriechen.

Dennoch ist ein Einlenken des Iran nicht ausgeschlossen. Der Druck ist groß wie nie. Der Iran verliert viel Geld durch das Ölembargo, das die EU im Sommer in Kraft setzen wird. Auch die Sanktionen der USA werden Wirkung zeigen. Chinesische oder russische Firmen, die anstelle der Konkurrenz in den iranischen Ölmarkt einsteigen wollen, werden sich das zwei Mal überlegen. Denn sie werden in diesem Fall laut Beschluss des US-Kongresses keine Geschäft mehr auf dem ungleich größeren US-Markt machen können.

Am effizientesten aber könnte sich die gefährlichste Drohung erweisen: die militärische. Der Iran hat zuletzt nur ein Mal nachweislich die Finger vom Atomprogramm gelassen: unmittelbar nach dem Einmarsch der USA in den Irak.

Lösen aber, das weiß auch Israel, lässt sich das A-Problem militärisch nicht. Ein Angriff auf Nuklearanlagen kann das Programm verzögern, nicht beenden. Für Israel wäre das kurzfristig immer noch die bessere Option, als eine Bombe zu dulden. Nach einer Attacke wird aber nicht nur der Ölpreis steigen, es drohen nicht nur terroristische und militärische Gegenschläge. Es könnte sich rasch auch die öffentliche Meinung zugunsten des Iran drehen. Danach wird es schwierig, auch nur die jetzigen Iran-Sanktionen aufrechtzuerhalten.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.