Der „unvermeidliche“ Kandidat stolpert Richtung Nominierung

Auch wenn die Republikaner die Vorwahlen langsam satthaben: Ein Blick auf 2008 zeigt, dass eine lange – und harte – Kandidatensuche kein Nachteil sein muss.

Das hat den Republikanern gerade noch gefehlt: Die vom Vorwahl-Marathon schon einigermaßen erschöpfte Partei leckte nach einer langen Wahlnacht, die wieder keine Entscheidung gebracht hatte, noch ihre Wunden, da meldete sich auch noch Sarah Palin zu Wort: Wenn kein Kandidat bis zum Nominierungsparteitag im August genug Delegiertenstimmen sammle, könne sie sich durchaus vorstellen, dort selbst anzutreten. Das darf als gefährliche Drohung gelten: Die Vizepräsidentschaftskandidatin von 2008 mag als oberste Cheerleaderin der Tea Party ihre Klientel noch in Begeisterungstaumel versetzen. Doch eine Kandidatin Palin wäre ein Freifahrtschein für eine zweite Amtszeit des Demokraten Barack Obama, das weiß man im Lager des Elefanten (des Wappentieres der Republikaner) nur zu gut.

Der ungebetene Zwischenruf aus Alaska ist hingegen symptomatisch für die Gefühlslage in der „Grand Old Party“, die das heuer spektakulär teure Vorgeplänkel zur Präsidentenwahl im November schon ziemlich satthat. Ex-First-Lady Barbara Bush sprach mit ihrer Wortmeldung von der „schlimmsten Kampagne, die ich in meinem Leben gesehen habe“ wohl vielen aus der Seele.

Mitt Romney, noch am ehesten der Wunschkandidat des Partei-Establishments, hat es wieder nicht geschafft: Mit einem überzeugenden Durchmarsch am „Super Tuesday“ hätte der Multimillionär den Beweis antreten können, dass er zumindest in der eigenen Partei über genügend Rückhalt verfügt. Ein Sieg in sechs von zehn Bundesstaaten ist zwar durchaus respektabel, doch gerade im Schlachtfeldstaat Ohio, auf den sich alle Augen richteten, war für die Bezifferung seines Vorsprungs auf Rick Santorum eine Lupe nötig. Glanzvoll ist das nicht. Romney gilt nach wie vor als der „unvermeidliche“ Kandidat. Aber das hat man über Hillary Clinton 2008 auch gesagt.

Ein Blick auf die letzte Wahl ist überhaupt lohnend: Viel wird derzeit diskutiert über den angeblichen Schaden, den der lange Vorwahlkampf der Partei zufügt, über die Munition, die man Amtsinhaber Obama und seinen versierten Kampagnenstrategen frei Haus liefert. Obama brauchte 2008 aber bis Anfang Juni, ehe er seine Delegiertenstimmen in trockenen Tüchern hatte – und er setzte sich bei der Wahl im Herbst dennoch durch. Und jener Vorwahlkampf war mit härtesten Bandagen geführt worden, Rassenthematik inklusive. Verglichen mit dem „Iron Man“, den das damalige Rennen dargestellt hat, nimmt sich die republikanische Vorwahl derzeit noch wie eine bessere Schnitzeljagd aus.


Zuletzt war es vor allem eine Schönheitskonkurrenz nach dem Motto „Wer ist der Reaktionärste im Land?“, bei der Rick Santorum als eine Art Großinquisitor den „rechten Glauben“ seiner Mitbewerber infrage stellte. Mitt Romney bewies schauspielerisches Talent, als er das Attribut des Konservativsten sich selbst zuwies, ohne lachen zu müssen. Wer immer betonen muss, er sei ein „schwer“ Konservativer (was unfreiwillig komisch klingt, denn „severe“ wird meist im Zusammenhang mit Krankheiten verwendet), wirkt nicht gerade rasend glaubwürdig.

Und wer bei diesem Thema einem Rick Santorum hinterherhechelt, hat schon verloren. Erstens, weil der Ex-Senator, der John F. Kennedys Plädoyer für eine Trennung von Kirche und Staat wörtlich „zum Kotzen“ findet, und Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, strafrechtlich verfolgen lassen will, immer authentischer wirken wird. Und zweitens, weil Wahlen in der Mitte gewonnen werden. Wer sich in der Vorwahl wie Romney zu sehr an den Rand ziehen lässt, für den wird der Rückweg beschwerlich.

Abgesehen davon, dass die derzeitige Themensetzung etwas abseitig wirkt. Man sollte doch annehmen, dass die Amerikaner vor allem wissen wollen, wie die Kandidaten die Wirtschaft wieder ankurbeln und die zwar sinkende, aber nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen wollen. Meinungsforscher und Politstrategen aus dem demokratischen wie republikanischen Lager sind sich überraschend einig: Wenn der Aufschwung anhält und die Menschen spüren, dass es aufwärts geht, darf Obama mit der Wiederwahl rechnen. Wenn nicht, hat auch ein Mitt Romney trotz aller Schwächen eine Chance.

E-Mails an: helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2012)

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