In Wien tritt man nicht zurück, man beschimpft die Behörde

Werner Amon ist vielleicht nicht korrupt, sondern nur schlicht. Wenn er nämlich glaubt, die Telekom Austria hätte den ÖAAB als attraktive Zielgruppe gesponsert.

Was ist der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich? In Berlin tritt der Bundespräsident zurück, wenn die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn beginnt. In Wien hingegen wird die Staatsanwaltschaft beschimpft, wenn sie Ermittlungen gegen Nationalratsabgeordnete ankündigt. Und zwar genau gegen jenen, der für seine Partei in einem Untersuchungsausschuss auch die politische Verantwortung ebenjenes Korruptionsfalls untersuchen soll, in den der ÖVP-Abgeordnete verwickelt sein dürfte. Ein anderer ist von der SPÖ.

So geschehen am Dienstag. Werner Amon heißt der ÖVP-Mandatar, gegen den nun wegen Zahlungen der Telekom in der Höhe von 10.000 Euro aus dem Jahr 2007 ermittelt wird. Das Geld ging an den Wiener Pressverein, der die ÖAAB-Zeitschrift herausgibt. Der ÖAAB-Generalsekretär war damals Werner Amon. Einfach ein Druckkostenbeitrag, heißt es in der ÖVP dazu, ohne konkrete Gegenleistung möglicherweise illegale Parteienfinanzierung oder Geldwäsche, meinen die Staatsanwälte. An den einzig logischen Weg, den sofortigen Rückzug Amons als Fraktionsführer seiner Partei im U-Ausschuss, denken weder er noch seine Parteifreunde. Im Gegenteil: Klubobmann Karlheinz Kopf geht in den Gegenangriff über. Er ortet eine Revanche und Verschwörung der Staatsanwaltschaft gegen Amon, da dieser im Fall der Entführung von Natascha Kampusch die offizielle Darstellung der Staatsanwälte, also die Einzeltäter-Theorie, öffentlich bezweifelt. Kopf: Die Staatsanwaltschaft versuche Amon „mundtot zu machen“. Und wörtlich meinte der wichtigste Repräsentant der Regierungspartei ÖVP im Parlamentsklub: „Ich finde es eine sehr fragwürdige Angelegenheit, ich könnte es auch Schweinerei nennen, wie mit dem Abgeordneten Amon umgegangen wird.“

Selbst wenn er zu 100 Prozent recht hätte und ein geheimer, sozialistischer Zirkel an Verschwörern in der Staatsanwaltschaft versuchte, den unbestechlichen Werner Amon mittels Scheinermittlungen daran zu hindern, dass er die Wahrheit über Natascha Kampusch herausfindet: Nicht einmal dann darf ein Klubchef einer Regierungspartei mit solchen Aussagen gegen die Justiz auftreten. Justizministerin Beatrix Karl verbittet sich diese unerträgliche Aktion zu Recht. Ein solches Verhalten kannte man von Uwe Scheuch und seinen FPK-Kumpanen.

Dass zeitgleich mit Kurt Gartlehner der Ex-Telekom-Sprecher der SPÖ ein vermutlich noch größeres Problem mit der Justiz bekommt – er soll Zahlungen der Hochegger-Firma Valora in der Höhe von etwa 100.000 Euro über eine Firma, die ihm zugerechnet wird, erhalten haben –, ändert nichts am Problem der ÖVP. Dass sich der ÖAAB, der mächtige Bund der Partei, von der Telekom finanzieren ließ, wusste man bereits. Vielleicht rührt der Auftritt Kopfs von einem grundsätzlichen Missverständnis her: Er und viele andere in den Klubs – vor allem auch in der SPÖ – finden nichts Verwerfliches daran, dass ein halbstaatliches Unternehmen politischen Parteien Veranstaltungen und Zeitschriften eines Vereins, wie dem ÖAAB, „sponsert“. Was die ÖVP nun so ärgert: Genau so machten es doch alle! Was es nicht weniger übel macht. Ein solches Unternehmen würde niemals den ÖAAB oder den ÖGB sponsern, wäre er keine politische Organisation. Klingt böse, ist aber wahr: Diese Zielgruppe und die Leserschaft einer solchen Zeitschrift würden Marketingabteilungen selten bis nie mit Werbung zu erreichen versuchen.


Tatsächlich haben viele in SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ offenbar auch kein Problem damit, dass (in)direkt Politiker unterstützt werden, die selbst über Belange der Telekom als Gesetzgeber entscheiden. So passiert beim roten Telekom-Sprecher, beim orange-blauen Infrastrukturminister oder beim Ex-ÖAAB-General, der heute im U-Ausschuss sitzt und dort Telekom-Zahlungen untersuchen soll. Dass Herr Petzner mitheult, ist amüsant, er merkt sich immer so schwer, für welche Skandalpartei er im Parlament sitzt.

Amon wird vermutlich auch diese Krise überleben, geschätzt muss er vom Wähler nicht werden, sondern von Parteifreunden und Listenmachern oben. Je schlimmer die Krise, desto größer der falsche Korpsgeist. Es steht zu befürchten, dass die ÖVP entgegen den Ankündigungen Michael Spindeleggers nicht aus dem Sumpf finden wird.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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