E-m@il für den Diktator: Banal, zynisch, todernst

Das elektronische Postfach des Diktators von Damaskus wurde gehackt: Es enthält höchst brisante, lächerlich triviale und menschenverachtende Botschaften.

Es ist ein ziemlicher Scoop, der der britischen Zeitung „The Guardian“ da gelungen ist: Der Zeitung sollen 3000 private E-Mails aus den elektronischen Postfächern des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und seiner Frau Asma zugespielt worden sein. Wenn die E-Mails authentisch sind – der „Guardian“ gilt als seriöses Medium und die Redaktion beteuert, die Echtheit der E-Mails sei ziemlich abgesichert –, dann geben sie einen interessanten Einblick in die Geisteswelt der Familie Assad. Sollten sich die E-Mails als Fälschung herausstellen, dann hat der „Guardian“ freilich ein ähnliches Problem wie das Magazin „Stern“ 1983 mit der Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher – daher räumt der „Guardian“ wiederum ein, dass man nicht mit endgültiger Sicherheit bestätigen könne, dass die Mails tatsächlich echt sind.

Schon im März 2011 soll ein Insider die privaten E-Mail-Adressen und Passwörter von Bashar al-Assad (sam@alshahba.com) und Asma Assad (ak@alshahba.com) weitergegeben haben. Über Monate konnte die Opposition „mithören“. Gerüchte, dass die Mail-Server des innersten Zirkels des Assad-Clans angeblich gehackt worden seien, zirkulieren bereits seit einiger Zeit im Internet. Anfang dieses Jahres stellte dann ein saudischer Hacker ein Ultimatum an Assad: Entweder das Töten im Homs, Daraa und Hama höre auf, oder er werde die privaten E-Mails der Familie veröffentlichen. Etwa zur selben Zeit veröffentlichte die israelische Zeitung „Haaretz“ den E-Mail-Verkehr aus dem syrischen Präsidentenamt, der angeblich von der Hackergruppe „Anonymous“ gehackt wurde. Unmittelbar nach diesen Episoden soll der Nachrichtenstrom versiegt sein, die Assads waren offenbar nun gewarnt.

Das Postfach des Diktators von Damaskus enthält höchst brisante, lächerlich triviale und todernste E-Mails: So hat Assad angeblich Rat im Iran einholen lassen, wie er am besten dem Aufstand begegnen könne. Er hat die eigenen angekündigten Reformen und Zugeständnisse schnoddrig als „unnütze Gesetze zu Parteien, Wahlen, Medien“ abgetan.

Eine Tochter des Emirs von Katar – sie ist eine Freundin von Asma al-Assad – beschwört die Frau Assads, ins Exil zu gehen: „Ganz ehrlich, angesichts der Weltlage und der letzten Eskalationen gibt es doch nur zwei Möglichkeiten: Machthaber, die abtreten und politisches Asyl bekommen – oder Machthaber, die brutal angegriffen werden.“

Dass Assad einen Link zu einem YouTube-Video weiterleitet, das zeigt, wie die Belagerung von Homs mit einem Spielzeugauto und einem Stapel Kekse nachgespielt wird,... – nun ja.

Interessant ist, dass er sich via Mail Informationen aus einem Netzwerk von Getreuen direkt zutragen lässt – an den offiziellen Kanälen der staatlichen Geheimdienste vorbei. Kopiert er die Überlebensstrategie von Hafez al-Assad? Schon Bashars Vater sicherte sich auf diese Weise ab – so konnte er verschiedene Interessengruppen, diverse Fraktionen in Militär und Geheimdienst gegeneinander ausspielen und dafür sorgen, dass keine Seite stark und einflussreich genug wird, um ihm gefährlich zu werden.

Der Propagandawert der jüngsten Veröffentlichung für die Opposition ist fraglich: Aus den Mail-Puzzlesteinen ergibt sich nämlich nicht das Mosaikbild eines Monsters, sondern eines Mannes, der im Apple-iTunes-Store Musik und Apps einkauft und nicht darauf vergisst, seiner Frau nette Komplimente zu machen, indem er ihr einen Song von Blake Shelton schickt: „Cos God gave me you for the ups and downs“. Das Bild dieses Mannes mit den Horrorbildern der Gräuel von Homs in Einklang zu bringen, für die Assad direkt Verantwortung trägt, fällt beim Lesen des Songtextes schwer. Die Frage nach dem Cui bono unterstützt somit eher die These der Echtheit der E-Mails.

Die Politikwissenschaftler Bruce Bueno de Mesquita und Alastair Smith erklären im höchst interessanten Buch „The Dictator's Handbook“ die oberste Maxime von Diktatoren, Autokraten und Tyrannen: „An die Macht zu kommen, an der Macht zu bleiben und – so gut es geht – Reichtümer zu häufen.“ Genau das ist das Ziel Assads.

E-Mails an: thomas.seifert@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2012)

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