Das blaue Übel und die anderen

In politischer Geiselhaft: Kritisiert man rassistisch inspirierte Wahlplakate, gilt man bei manchen als politisch korrekter Wächter, kritisiert man die Regierung, bei anderen als Strache-Wegbereiter.

Für FPÖ-Politiker stellt es die einzige Möglichkeit dar, als außenpolitische Fußnote wahrgenommen zu werden. Nur mit geschmacklosen Verbalinjurien, rassistisch formulierten Wahlplakaten oder unflätigen Provokationen gelingt es den politisch Obdachlosen des Landes, bei internationalen Botschaften und Medien aufzufallen. Im laufenden, nur lokal relevanten Gemeinderatswahlkampf in Innsbruck hat die FPÖ, an deren Spitze mit August Penz ein erfolgreicher Hotelier steht, Plakate affichieren lassen, auf denen steht: „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe“. Damit bezieht sich die Partei auf eine Szene aus jungen Männer, die – meist ohne gültige Aufenthaltsbewilligung und vielfach aus Marokko stammend – in Innsbruck für Suchtmittelvergehen und Kriminalität verantwortlich gemacht werden und es vielfach sind. „Die Presse“ hat vor einigen Jahren über dieses Problem geschrieben, es ist 2012 nicht mehr so schlimm wie damals, aber keineswegs gelöst. Daran hat die FPÖ auch kein Interesse, kann sie das Thema doch wunderbar für die eigenen Belange nützen. Besonders originell ist der Spruch übrigens nicht, „Daham statt Islam“, hieß es schon in Wien, aber knapper.

Dennoch ist die marokkanische Botschaft in Wien empört, der österreichische Botschafter muss in Rabat zum Rapport, und Anzeigen wegen Verhetzung gibt es auch. In der FPÖ-Zentrale ist man begeistert, dass die billige Provokation funktioniert hat. Dem Vernehmen nach hat Chefideologe Herbert Kickl sogar um eine formvollendete Verurteilung der Arabischen Liga gebeten, um seine Lieblingsrolle spielen zu können: die des Opfers der politisch korrekten Wahlkampfwächter. Heinz-Christian Strache sucht derweilen Rabat noch auf der Landkarte, Innsbruck hat er schon gefunden, und Casablanca kennt er gut aus dem TV-Dämmerschlaf.

Beim Gedanken, dass diese Truppe in ein, zwei Jahren in einer Bundesregierung sitzt, wird nicht nur Marrakesch-Reisenden unwohl. Von SPÖ-Politikern und vor allem ÖVP-Vertretern werden Journalisten immer häufiger mit der Argumentation konfrontiert, dass die negative Berichterstattung um U-Ausschuss und Sparpaket Strache und seine FPÖ ins Kanzleramt bringen werde.

Nur, wie sollte so eine positive Berichterstattung klingen?
So etwa: Werner Faymann regiert das Land mit besonders ruhiger Hand und ohne Risken. Er spart das Land nicht kaputt, kratzt dennoch mutig ein bisschen Geld zusammen. Die ÖVP holte sich vor langer Zeit von Telekom und Co. nur ein bisschen Entschädigung für das nachvollziehbar frustrierende Gefühl, mit FPÖ, BZÖ oder später SPÖ regieren zu müssen. Nun räumt Michael Spindelegger so frühlingshaft und besenrein auf, dass sogar Franz Fiedler ganz schön „Hallo!“ schreit. Wie die beiden Parteichefs überhaupt bescheiden und sträflich unterschätzt das Land sichern, führen und verbessern. Die Menschen da draußen spüren das.

Schade. Das glaubt leider kein Mensch.
Man kann und muss diese Regierung scharf kritisieren und sich gleichzeitig vom blauen Übel abwenden.
Es gibt keine politische Geiselhaft.

rainer.nowak@ diepresse.com

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