Die wollen nicht, die haben immer Bedenken, die Frauen

Überzogene Zahlen sind der Sache nicht dienlich. Aber abseits aller Zahlenmanöver bleibt ein Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern, der zu beseitigen ist.

Ich bin eine Quotenfrau. Auf die Frage, ob ich meinen Job bekommen habe, weil ich eine Frau bin, hat einer meiner Vorgesetzten gesagt: „Nein. Aber es hilft.“ Ich bin eine Quotenfrau, trotzdem. Es fällt nicht leicht, es so zu sehen. Es könnte bedeuten, dass die Qualifikationen sonst nicht ausgereicht hätten für den Job. Dass jemand anderer übergangen wurde, nur weil er ein Mann war. Dass es nicht um rein sachliche Argumente geht.

Viele Frauen sprechen sich gegen eine Frauenquote aus, weil diese Kritikpunkte unangenehm sind. Erfolg glänzt weniger hell, wenn er nicht nur durch eigenes Zutun erreicht worden ist. Sind das Sorgen, die sich auch Männer in Führungspositionen machen? Dass ihr Geschlecht ihnen einen unfairen Vorteil gebracht hat? Haben manche deshalb schlaflose Nächte? Wahrscheinlich nicht. Männer müssen sich vielleicht gegen Vorwürfe wehren, eine Position erreicht zu haben, weil sie eine bestimmte Schule besucht haben, einem Netzwerk angehören, mit dem Chef Golf spielen. Nicht, dass sie Männer sind. Sie können ganz gut damit leben.

Was hat die Frauenquote mit Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Auf den ersten Blick scheint überhaupt die Welt ziemlich in Ordnung zu sein, wenn man den Recherchen des „Profil“ trauen will. Da heißt es auf dem Titelblatt, dass Frauen und Männer „ähnlich viel“ verdienen. (Dass gleich darunter ein Text über den „Mann als Jammerfigur“ angekündigt wird, gehört zur gezielten Provokation.) Der schlichte Schluss der von „Profil“ versprochenen „Wahrheit über die Ungleichheit“: Frauenpolitiker operierten bewusst mit falschen Zahlen, um an der „Opferrolle“ festhalten zu können. Es gebe keine Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts. Denn werde die angebliche „skandalöse“ Lohnlücke von rund 25 Prozent um Faktoren wie etwa Ausbildung, Branche, Unternehmensgröße bereinigt, so bliebe nur ein „Rest“ von rund zwölf Prozent Einkommensunterschied, der „nicht erklärbar“ sei. Und diese zwölf Prozent, die auf das ganze Arbeitsleben hochgerechnet gar nicht wenig sind, werden mit möglicher Frauendiskriminierung weggemurmelt.

Es ist richtig, dass überzogene Zahlen der Sache nicht dienlich sind. Sollten Frauenpolitiker bewusst mit Übertreibungen operieren, so befinden sie sich in bester Gesellschaft mit Spenden- und Umweltschutzorganisationen: Auch sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, ihr Ziel, Schlagzeilen zu machen, mit dem hohen Preis zu bezahlen, langfristig ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren und für Abstumpfung zu sorgen.

Bei aller Kritik bleibt aber immer noch die Lücke, die so niedlich als „Rest“ bezeichnet wird: Diese rund zwölf Prozent verdienen Frauen laut Experten unter anderem weniger, weil sie andere „Motivationen“ haben und ein anderes „Engagement“ zeigen als Männer. Weil sie schlechter verhandeln, weniger wollen, sich weniger zutrauen. Weil sie aber auch weniger Risiko eingehen, lieber fixe Gehälter beziehen, als etwa ihr Gehalt mit dem Unternehmenserfolg oder eigener Leistung zu verknüpfen. Wenn diese Schlüsse zutreffen, also geschlechtsspezifisch sind, dann heißt das aber nichts anderes als: weil sie Frauen sind.

Frauen, so hört man immer wieder, sind nicht nur deshalb in Führungspositionen unterrepräsentiert, weil Männer sie nicht hochkommen lassen. Sondern auch, weil sie es ja gar nicht wollen. Die haben immer Bedenken. Die wollen lieber gemocht als respektiert werden. Vorurteile, die der Tatsache nicht standhalten, dass Frauen in Schulen und Universitäten Motivation und Leistungswillen voll unter Beweis stellen. Warum sollen sie das im Beruf nicht mehr wollen? Kann es sein, dass sie dort andere Chancen vorfinden als Männer?

Wenn mit Mythen aufgeräumt werden soll, dann vielleicht auch mit diesen: Man nimmt Männern nichts weg, wenn Frauen gleich viel verdienen. Und: Frauen sind nicht die besseren Chefs. Sie machen manches anders, aber sie sind genauso gut oder schlecht, wie Männer es sind. Zu diesem Schluss kann man aber erst kommen, wenn Chefinnen zur Normalität werden. Und wenn es immer mehr Quotenfrauen gibt, dann sind sie irgendwann keine Quotenfrauen mehr.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2012)

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