Die Mär von den Landesreformhauptleuten

Ab sofort wird das Land saniert, als wären Gerhard Dörfler und Michael Häupl Schweizer. Doch im Stabilitätspakt stehen Details: Und in denen steckt der Teufel.

Vielleicht ist diesmal alles ganz anders. Vielleicht hat Franz Voves, der steirische Erd-Sozialist, recht, wenn er von einem historischen Pakt spricht. Vielleicht haben sich die Länder mit der Bundesregierung tatsächlich auf einen nachhaltigen Sanierungskurs geeinigt. Vielleicht wurde in den neun Landeshauptstädten plötzlich der Ernst der finanzpolitischen Situation erkannt und nun ein neuer Pfad eingeschlagen. Vielleicht geht es in St. Pölten, Klagenfurt und Wien in Zukunft mehr um das Gesamtwohl des Landes denn um Macht und Jobs für die Anhänger des jeweiligen Landeshauptmanns. Vielleicht hat sich diese Zeitung in ihrer scharfen Kritik daran geirrt. Vielleicht ist auch die Eurokrise gelöst, die Ukraine wird zur Fußball-EM eine Demokratie, und alles wird gut. Vielleicht glauben Franz Voves und Co. auch einfach das, was sie sich einreden.

Ein Stabilitätspakt ist durchaus zu begrüßen. Dass sich Länder verpflichten, in Zukunft weniger Schulden zu machen, muss als gute Nachricht gewertet werden. Das war nicht immer so. Der Stainzer Stabilitätspakt peilt ein gesamtstaatliches Nulldefizit für 2016 an. Für die Zeit danach sieht der Pakt vor, dass das strukturelle Defizit gesamtstaatlich 0,45 Prozent des BIPs nicht übersteigt. Bei Ländern und Gemeinden darf dieser Wert ab 2017 0,1 Prozent des BIPs betragen, beim Bund 0,35 Prozent. Immerhin. Theoretisch läuft der Vertrag auch unbefristet. Theoretisch.

Denn praktisch schaut die Lage ein wenig anders aus. Sanktionen gegen Defizitsünder soll ein Gremium, das Bund, Länder und Gemeinden beschicken, beschließen – einstimmig. Es reicht das Nein des Länder- oder des Gemeindevertreters, und schon darf weiter straflos Geld ausgegeben werden. Praktisch hält auch der Pakt nur so lange, solange die Einnahmen aus der Bundeskasse an die Länder, geregelt im sogenannten Finanzausgleich, fließen. Wird der Fluss jedoch dünner, weil Einnahmen wegfallen oder nicht wie geplant umsetzbar sind, wäre dies de facto ein Bruch des Pakts und würde somit das Aus bedeuten. Interessanterweise gibt es da kein Gremium, das einstimmig einen solchen Bruch beschließen muss. Kurz: Kommt es zu keiner Einigung und zu Streit über die Geldverteilung, können wieder Schulden gemacht werden. Ein solcher Bruch lässt sich bequem herbeiführen. Am Donnerstag wurde auch eine Information publik, die interessant sein dürfte: Sollte die im Konsolidierungspaket törichterweise versprochene und einberechnete EU-weite Steuer auf Finanztransaktionen nicht kommen, wird es zu anderen Einnahmen, sprich Steuern, kommen. Das war zwar irgendwie logisch, ist nun aber offiziell. Offenbar halten Mit-mir-keine-neuen-Steuern-Sonntagsprediger wie Maria Fekter heimlich François Hollande am kommenden Sonntag die Daumen: Gewinnt in Frankreich die Linke, könnte doch wieder etwas aus der EU-Steuer werden.

Genau diese Manöver machen es so schwer, die Babyschritte von Regierung und Landeshauptleuten zu loben. Stimmt schon, beim Thema Gesundheitsreform rücken die Bundesländer von ihren hundertprozentigen Hegemonieansprüche über die teuren Spitäler zart ab. Ob sie deswegen notwendigen echten und daher harten Reformen wie etwa Spitalsschließungen zustimmen, darf vorsichtig bezweifelt werden.

Vor allem aber sollte eines zu denken geben: Es gab bereits eine Art Stabilitätspakt, den die Länder jedoch nur 2011 eingehalten haben. Die mehrmaligen Verstöße dagegen blieben nicht nur völlig straflos, sondern führten weder in den betroffenen Bundesländern noch im zentralistisch gesinnteren Bund zu echter Empörung, auch in den Medien blieb die Aufregung überschaubar. In den ersten Reaktionen nach der historischen Pakt-Ausrufung verkündeten die Landeshauptleute auch einmal mehr stolz und selbstbewusst, dass man selbst wisse, wo und wie man spare. Abgesehen von Musterschülern wie Vorarlberg – und meist Oberösterreich – stimmte dies bisher definitiv nicht: Nicht einmal die Landeshauptleute selbst bestreiten, dass es ihren Beamten besser gehe als deren Kollegen im Bund.

Der Stabilitätspakt ist ein guter, braver Start. Aber mehr ganz sicher nicht.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2012)

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