Die Koalition hat ihre Gestaltungsmacht abgegeben

In der Studiengebühren-Debatte hat Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle alle Beteiligten in eine beispiellose Situation der Verunsicherung manövriert.

Das heimische Bildungswesen ist so einiges an Kummer gewöhnt. Und dennoch ist Karlheinz Töchterle etwas gelungen, was in jüngerer Zeit keiner seiner Amtsvorgänger als Wissenschaftsminister zuwege gebracht hat: Er hat Universitäten und Studierende gleichermaßen in eine beispiellose Situation der Verunsicherung und des gegenseitigen Misstrauens manövriert.

Mit seiner Weigerung, über das Kompromissangebot der SPÖ zur (teilweisen) Wiedereinführung der Studiengebühren auch nur nachzudenken, hat er nicht nur bewiesen, dass der Grat zwischen Prinzipientreue und Sturheit ein schmaler ist. Sondern auch, dass „gut gemeint“ auch im politischen Geschäft nur allzu oft das Gegenteil von „gut“ ist. Denn so löblich Töchterles Ansatz, auf eine neue, umfassende Regelung zu pochen statt Rumpfstudiengebühren à la SPÖ zuzustimmen, auch sein mag: Die daraus entstandene Dynamik nimmt mittlerweile bedenkliche Ausmaße an.

Wenn Studierende – unterstützt von der ÖH – beginnen, Klagen gegen ihre Alma Mater beim Verfassungsgerichtshof vorzubereiten, ist das nicht jene vertrauensvolle Basis, auf der ein leistungsfähiges Uni-System fußen muss. Doch mehr noch: Die Nichtpolitik der Koalition belastet nicht nur das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen Rektoren und Studierenden. Es entzweit – und schwächt – auch die universitären Leitungsgremien Rektorat und Uni-Senat.

In ihrer Vorbereitung auf die autonome und vielleicht rechtswidrige Einhebung der Gebühren – die der Rektor beantragen und der Senat absegnen muss – sind sie in ein unwürdiges Taktieren und Zögern verfallen. So beschloss die Uni Wien zwar Gebühren, will diese aber stunden. Die WU Wien hebt auch ein, erklärt aber in vorauseilendem Gehorsam, alle Gebühren zurückzugeben, falls der VfGH auch nur einer einzigen Klage stattgibt. Verwenden können die Unis das Geld bis zur Klärung der Rechtslage ja ohnehin nicht. Andere Unis, wie etwa die TU Graz, entscheiden sich zwar für die Einhebung, trauen sich aber nicht, dies kundzutun, um Vorabklagen von Studierenden zu vermeiden. Wieder andere Senate verweigern die Einführung – und beschädigen damit die Glaubwürdigkeit ihres Rektors. Dass genau das am Dienstag ausgerechnet Heinrich Schmidinger, Chef aller heimischen Rektoren und Verfechter von Studiengebühren, an seiner Uni Salzburg passiert ist, hat beinahe etwas Tragikomisches.

In der Argumentation gegen den derzeitigen Zustand muss man freilich vorsichtig sein: Das Problem ist nicht, dass die Unis gezwungen werden, jene Autonomie, mit der sie sich gerne schmücken, auch zu leben. Und Autonomie kann nie nur organisatorische oder wissenschaftliche Autonomie bedeuten, sondern (vor allem) auch finanzielle. Das Problem ist auch nicht, dass manche Unis Gebühren einheben und andere das nicht tun. Das bisschen Wettbewerb muss der heimische Hochschulbetrieb nicht nur aushalten. Er wird ihm sogar gut tun. Und auch dass sich die linken Studentenvertreter empören, wäre per se weder neu noch bedenklich.

Das wahre Problem ist, dass Töchterle Rektoren und Studierende in einem rechtsfreien Raum zurücklässt. Damit beschädigt der sonst so kompetente Minister, dessen Stärke – so scheint es zunehmend – vor allem die Schwäche seiner Regierungskollegen und Vorgänger ist, nicht nur seine eigene Bilanz. Er hat mit seiner Verweigerung die Politik einmal mehr in ihrer eigenen Legitimation beschnitten. Das Signal der Koalition ist ein verheerendes: Wer in Österreich Lösungen will, muss die Gerichte bemühen, an die die Politik ihre Gestaltungsmacht nach und nach abzugeben scheint. Den Anspruch, wirklich ernst genommen zu werden, stellt die Koalition ohnehin schon länger nicht mehr.

Jetzt sind die Verfassungsrichter gefordert, rasch und eindeutig zu entscheiden. Und damit den Weg frei zu machen für eine nachhaltige Gebührenlösung, die für die Unis budgetäre Entlastung und – dadurch – für die Studierenden die nötige Qualitätssteigerung im Vorlesungsbetrieb bringt. Bleibt nur zu hoffen, dass Töchterle den Anstand besitzt, sich diese Verbesserungen zu guter Letzt nicht auch noch auf die eigenen Fahnen zu heften.

E-Mails an: christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2012)

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