Die schmutzigen Tricks der Claudia Schmied

Wie die Unterrichtsministerin ihre Schulreformen kommuniziert, gleicht einem Verrat an Eltern und Schülern. Und offenbart ein bedenkliches Leistungsverständnis.

Wagen wir ein Gedankenexperiment: Stellen wir uns doch für einen kurzen Moment vor, das heimische Schulwesen wäre ein Unternehmen. Wir hätten es dann nicht nur mit einem Unternehmen zu tun, das krampfhaft an jedem seiner Mitarbeiter, also Lehrer, festhält – so schlecht er auch sein mag. Sondern auch mit einem Unternehmen, in dem ebendiese Mitarbeiter so gut wie keine Chance auf eine leistungsbezogene Entlohnung oder gar eine Fachkarriere haben.

Vor allem aber würde das Unternehmen seinen Kunden – also in diesem Fall Schülern und Eltern – jegliche Möglichkeit verwehren, die Qualität der angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu überprüfen. Und würde so seine De-facto-Monopolstellung auf ganz unverschämte Art und Weise ausnützen. Denn: Alle Menschen sind zumindest neun Jahre lang per Gesetz verpflichtet, das Produkt zu kaufen. Ein Recht auf Garantie oder Gewährleistung gibt es übrigens nicht.

Wahrscheinlich hätte längst jemand den Konsumentenschutz gerufen.


Natürlich, der Vergleich hinkt, wie es Vergleiche immer tun. Zudem mag man einwenden, dass Bildung keine Ware und auch keine Dienstleistung im engeren Sinne sei. Sondern ein höheres Gut. Auch das ist richtig. Es macht die Sache aber nicht besser, sondern noch viel schlimmer. Denn im Kern handelt die rote Unterrichtsministerin Claudia Schmied derzeit genauso wie die Chefin des soeben skizzierten fiktiven Unternehmens.

Sie lässt Eltern und – mindestens so wichtig – Schüler mit ihren Reformen gern im Unklaren. Oder, mehr noch: Sie verschleiert Ergebnisse, hält Fakten zurück und schönt Zahlen. Diesen Vorwurf muss sich die gelernte Bankerin spätestens seit der verheerenden Konzeption der Bildungsstandards, die ab sofort alljährlich bei allen Schülern der vierten und achten Schulstufe getestet werden, gefallen lassen.

Denn: Die Ergebnisse der Tests will die Ministerin zurückhalten, um angeblich schädliche „Rankings“ oder Vergleiche zwischen Schulstandorten zu vermeiden. Das Ganze könnte, Gott bewahre, ja in einen Wettbewerb der besten Schulkonzepte münden! Obendrein: Die Ministerin will die Testergebnisse von Schülern aus Neuen Mittelschulen und Hauptschulen durch statistische Verfahren anders gewichten. So soll auf strukturelle Merkmale in der jeweiligen Schülerpopulation – Migrationshintergrund und sozialer Status – Rücksicht genommen werden. Für jede Schule gelten andere „Erwartungsbereiche“. Auf gut Deutsch gesagt: Die Unterrichtsministerin dürfte davon ausgehen, dass in ihrem Prestigeprojekt Neue Mittelschule vorwiegend Menschen sitzen, denen man es gar nicht verübeln könne, per se schlechter abzuschneiden. Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, müssen die Statistiker des BIFIE, ihres Bundesinstituts für Bildungsforschung, ran.

Das offenbart nicht nur ein problematisches Menschenbild, sondern vor allem auch ein bedenkliches Leistungsverständnis.


Die Eltern von rund 755.600 schulpflichtigen Kinder werden es der Ministerin danken: Aufgrund ihrer Zahlenspiele werden sie auch künftig nicht erfahren, in welchen Schulen Kindern die beste Ausbildung zuteil wird. Das ist, salopp gesagt, eine Frechheit. Der Ministerin vorzuwerfen, sozialdemokratischen Einheitsbrei generieren zu wollen, geht nicht zu weit, sondern greift zu kurz. Die Ministerin nutzt die unwürdigen PR-Tricks, um zu verschleiern, wie es um ihre Schulreformen wirklich steht. Wohl nicht allzu gut, bleibt anzunehmen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Schmied beschönigt. Sie führt eine Neue Mittelschule flächendeckend ein, in der in den richtigen Fächern die Lehrer für das Teamteaching – zwei Lehrer unterrichten gemeinsam in einer Klasse – fehlen; statt in Deutsch stehen nun mancherorts halt zwei Lehrer im Werkunterricht. Sie besteht auf der Mathematikzentralmatura, auf die sich niemand gut vorbereitet fühlt. Und sie verkauft Junglehrern Lohnerhöhungen, vergisst aber gern zu sagen, dass gleichzeitig auch die Arbeitszeit erhöht wird.

Als Unternehmenschefin hätte Claudia Schmied wohl längst den Hut nehmen müssen.

E-Mails an: christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2012)

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