Wir sind eine Mischung aus Griechenland und Spanien

Jahrelang verschleppte Reformen und enorme Risken in den Bilanzen der Banken. Mittelfristig könnte auch Österreich dem traurigen Schicksal Südeuropas folgen.

Es sind unterschiedliche Gründe, die Griechenland und Spanien in die Krise gebracht haben. In Griechenland waren es ein Staat und eine Gesellschaft, die auf Pump jahrelang gut gelebt haben. Dass währenddessen ihre Wettbewerbsfähigkeit schrumpfte und sie am Ende des Tages nicht mehr fähig sein würden, ihre Schulden zurückzuzahlen, bekamen die Menschen zwischen Athen und Thessaloniki nicht mit. In Spanien wurden zwar ebenfalls notwendige Reformen – etwa auf dem Arbeitsmarkt – lange liegen gelassen. Der aktuelle Auslöser für die gewaltige Krise war jedoch die iberische Immobilienblase, in der Bauindustrie und Banken Milliarden in wahnwitzige Projekte gesteckt haben, weshalb sie nun vom Staat gerettet werden müssen.

Österreich ist von dem Schicksal dieser Länder noch weit entfernt. Im EU-Vergleich ist das Land sogar regelmäßig auf vorderen Plätzen zu finden. Dabei dürfte es sich jedoch eher um die sprichwörtliche Situation des Einäugigen unter den Blinden handeln. Denn von den Anlagen her entspricht die volkswirtschaftliche Verfassung der Alpenrepublik einer Mischung aus Spanien und Griechenland, wie nun erneut von EU-Kommission und den Ökonomen des Schweizer IMD-Instituts festgestellt wurde.

So haben auch die heimischen Banken während der Boomphase der mittleren 2000er-Jahre Milliarden an Krediten vergeben. Diese flossen zwar nicht in eine nationale Immobilienblase, dafür aber nach Osteuropa, das von der Wirtschaftskrise besonders hart getroffen wurde. Die rasanten Wachstumsraten, die jegliches Risiko vergessen ließen, gehören dort seit 2008 der Vergangenheit an. Der große Knall der Osteuropa-Blase war zwar – anders als in Spanien oder Irland – bisher nicht zu hören, sollte er jedoch kommen, würde Österreich dem Schicksal dieser Länder folgen.

Die Auswirkungen könnten hierzulande aber noch wesentlich drastischer ausfallen. Denn sowohl Spanier als auch Iren konnten sich vor der Krise über eine besonders geringe Staatsverschuldung freuen. Hierzulande lag dieser Wert auch ohne Krise seit Jahren konstant über der Maastricht-Obergrenze von 60Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Gründe dafür sind seit Jahren bekannt und werden etwa von Rechnungshof, der OECD, dem IWF oder heimischen Wirtschaftsforschern gebetsmühlenartig wiederholt.

Wie Griechenland lebt Österreich seinen hohen Lebensstandard auf Pump. So gehen bei den Männern nur die Luxemburger und bei den Frauen nur die Slowakinnen noch früher in Pension als die Menschen hierzulande. Gleichzeitig wird in kaum einem Land Europas so lange studiert (und dabei auch so oft das Studium nach Jahren ergebnislos abgebrochen). Die Folge ist, dass die Pensionen von heute mit Krediten auf Kosten künftiger Generationen bezahlt werden müssen – samt stetig steigender Zinsen. Laut Rechnungshof fließen 2015 bereits 40Prozent aller staatlichen Ausgaben in Pensionen und Zinszahlungen. Darüber hinaus sorgen auf Bund und Länder zersplitterte Verwaltung und Gesundheitssystem dafür, dass es zwar einen Susi-Sorglos-Staat für jedermann gibt, dessen Kosten ebenfalls zum Teil fremdfinanziert werden müssen.

Der große Vorteil Österreichs ist bislang, dass es wettbewerbsfähige Firmen gibt, weshalb die Arbeitslosigkeit gering ist. Doch auch dies könnte sich bald ändern, wie die EU-Kommission nun aufzeigt. So droht den Firmen ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, weil es an der Ausbildung mangelt. Vor allem Naturwissenschaftler und Techniker fehlen. Die Gründe dafür dürften unter anderem im Schulsystem liegen, dessen Zweck es zu sein scheint, Physik und Chemie möglichst abschreckend zu präsentieren.

Notwendige Reformen scheitern in Österreich aber entweder an einer Blockade durch die Parteien, wie beim rot-schwarzen Schuldauerstreit, oder durch die Länder, wie beim Gesundheitswesen. Doch die Politik ist mit ihrer Änderungsresistenz nicht allein. Auch in der Bevölkerung sind Reformen unpopulär, sobald sie konkret werden. Wo sonst gehen schon Jugendliche gegen eine Reform des Pensionssystems auf die Straße, wie hier vor einigen Jahren geschehen? Da wird lieber weiter auf Kosten der eigenen Zukunft gelebt.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2012)

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