Wie man durch die Euro gewinnen, wie verlieren kann

Polen dürfte das Sportspektakel der Fußball-EM gut zum Imagegewinn nutzen. Eine raffgierige und rachsüchtige Politikerelite verhindert das für die Ukraine.

Es ist schon seit Langem unbestritten: Sportliche Großveranstaltungen „gehören“ nicht den reichen und wohlhabenden Ländern des Westens oder der nördlichen Halbkugel, sondern gleichermaßen dem Süden und auch dem Osten. Schon lange vor der „Globalisierung“ fanden Fußballweltmeisterschaften in Südamerika oder Olympische Spiele in Japan statt. So gehört es sich für den Weltsport.

Dass es aber gerade bei Olympischen Spielen oder Fußballweltmeisterschaften immer wieder Diskussionen gibt, hängt mit dem üblen Geruch der Korruption zusammen, der regelmäßig die Vergaben an diesen oder jenen Schauplatz umweht. Dazu kommt noch das unglaublich präpotente und arrogante Verhalten der Herren Funktionäre von IOC oder Fifa, die so tun, als ginge sie das politische, gesellschaftliche und soziale Geschehen rund um die Sportgroßveranstaltungen gar nichts an: Für sie scheinen nur die Einnahmen und die Extraspuren für Funktionäre auf den Zubringern zu den Stadien wichtig – „Korruption, Menschenrechtsverstöße, politisierte Justiz, was geht uns das an?“

Der Wiener Historiker Wolfgang Mueller hat in einem Gastkommentar in der „Presse“ am Freitag den gescheiten Vorschlag gemacht, dass die großen Sportweltverbände transparente Richtlinien festlegen sollten, wonach ein Gastgeberland Menschenrechtsstandards zu beachten hat und bei Nichtbeachtung Konsequenzen drohen. Ein Vorschlag, der wohl zu spät kommt. Denn natürlich spielen Länder wie China oder Russland, deren jetzigen Regierungen die Einhaltung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit wahrlich kein Herzensanliegen ist, auch in diesen Weltverbänden eine immer wichtigere Rolle.

Ist es in Europa besser, funktioniert hier alles sauberer? Zunächst gilt auch hier: Es war überfällig, dass eine Fußballeuropameisterschaft in Mittelosteuropa ausgetragen wird. Polen, das sich seit der Fastpleite in der Wendezeit so erfreulich entwickelt hat (abgesehen von der erratischen Regierungszeit der Kaczyińskis), hat sich die Gastgeberrolle für die Euro 2012 mehr als verdient. Das Land hat sich gut vorbereitet, und wer Polen kennt, weiß, wie gastfreundlich und offen die dortigen Menschen ausländischen Besuchern begegnen.

Insofern hat Polen gute Chancen, das einmonatige Sportspektakel für einen echten Imagegewinn nutzen zu können. Besucher, die Polen bisher nicht gekannt haben, werden erstaunt sein, wie modern und gleichzeitig traditionsverbunden Warschau, Danzig, Posen oder Breslau sind. Bezeichnend freilich auch, dass alle diese Austragungsstädte im westlichen Landesteil sind. Drüben, im Osten Polens, herrscht noch riesiger Nachholbedarf – das wird sich auch durch die Euro nicht ändern.

Vom Imagegewinn, den sich Polen von der Euro erhoffen darf, wenn während der nächsten Wochen alles einigermaßen glatt läuft, kann der Euro-Partner Ukraine nur träumen. Jeder, der dieses von der Geschichte so geschundene große Land und seine sympathischen Bewohner ein bisschen kennt, konnte sich nur freuen, dass es einmal im internationalen Scheinwerferlicht steht.

Die ursprüngliche Idee war auch absolut richtig, die Ukraine mit der Vergabe des Fußballfestes näher an Europa heranzuholen. Sie entsprang gewiss der großen Sympathie für die Orange Revolution von 2004. Nur, diese Revolution ist längst verwelkt. Die Revolutionäre haben sich heillos zerstritten, sich vornehmlich um ihr eigenes Ego und nicht um das Wohlbefinden des Volkes gekümmert. Zurück ans Ruder kam eine Politikerpartie, der es um Rache für frühere politische Niederlagen, vor allem aber um Vermehrung des eigenen Reichtums geht. Nur aus einer solchen Mentalität heraus konnten die raffgierigen Eliten auf die Idee kommen, die Hotelpreise in ukrainischen Städten während der Euro zu verzehnfachen und so Fans und Uefa-Präsident Michel Platini maßlos zu verärgern.

Im Moment schaut es so aus, dass Polen durch die Euro schon gewonnen, die Ukraine schon verspielt hat. Und die Uefa wird sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie erneut einen Wackelkandidaten zum Zug kommen lässt. Und vielleicht entschließt sie sich sogar zur Festlegung klarer Vergaberichtlinien.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2012)

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