Mit leeren Taschen fällt der Kaufrausch ziemlich schwer

Die Deutschen konsumieren, den Österreichern wird jeder Lohnzuwachs aus der Tasche gezogen.

Deutschland kommt jetzt in Schwung: Nachdem vor Kurzem schon die Regierung mit einer schönen Wachstumsprognose (plus 1,5 Prozent Realwachstum) für heuer vorpreschte, hat gestern auch die deutsche Industrie- und Handelskammer ihre Prognose auf Basis einer Umfrage in ihren Mitgliedsbetrieben von 0,8 auf 1,3 Prozent hochgeschraubt.

Das ist noch lang kein Boom, aber der Stimmungsumschwung, der aus der hochgeschraubten Konjunktureinschätzung spricht, ist Goldes wert: Investiert wird ja nur bei positiven Zukunftserwartungen, und genau an Investitionen fehlt es zurzeit.

In Österreich ist die Stimmung dagegen ziemlich mies: Der Vorsprung gegenüber Deutschland ist laut Industriellenvereinigung verloren gegangen und eine Wende ist nicht in Sicht. Wir sind Wachstumsnachzügler geworden.

Woran kann das wohl liegen? Schauen wir uns einmal die aktuellen deutschen Wachstumsmotoren an: Da wären einmal der Export (von dem eigentlich auch die zahlreichen österreichischen Zulieferer deutscher Exportunternehmen mitgezogen werden müssten) – und der private Konsum.

Letzterer hat die Konjunktur schon im Vorjahr wesentlich getragen und wird das auch heuer tun. Ganz einfach deshalb, weil die deutschen Konsumenten nach längerem Darben seit 2014 wieder mehr netto im Börserl haben: Die Einkommen sind inflationsbereinigt 2014 um 1,6 Prozent gestiegen und werden in diesem Jahr ähnlich zulegen. Während wir in Österreich laut Wifo seit gut fünf Jahren an permanenter Reallohnschrumpfung leiden und in nächster Zeit bestenfalls Stagnation erleben werden.

Das ist auf den ersten Blick seltsam, denn die ausgehandelten Bruttolohnsteigerungen unterscheiden sich ja nicht gravierend. Mit anderen Worten: Die Deutschen lassen ihre Arbeitnehmer am ohnehin schwachen Wirtschaftswachstum teilhaben, indem die Reallöhne annähernd um die Rate des realen Wirtschaftswachstums steigen. Die Österreicher ziehen ihren Arbeitnehmern dagegen den gesamten Bruttolohnzuwachs wieder aus der Tasche. Über eine (durch die öffentliche Hand verursachte) Europarekord-Inflation und die kalte Progression.

Wir walzen das hier so aus, weil unsere Steuerreformer gerade an einer „Steuersenkung“ basteln, die mit versteckten Steuererhöhungen (ja, auch eine Verteuerung der Sozialversicherungbeiträge ist eine solche) wohl mehr als kompensiert wird und unter dem Strich wahrscheinlich weniger als ein Nullsummenspiel ergibt. Und, weil sie gerade lustig drauf sind, auch noch meinen, ein Teil der Null-Reform werde sich durch Steuern aus „erhöhtem Konsum“ finanzieren.

Das wird leider nichts. Wenn es jetzt nicht gelingt, wesentliche Teile der Reform zumindest mittelfristig durch echte Strukturreformen zu finanzieren, dann hat die Regierung wirtschaftspolitisch leider versagt. Und wir werden das ausbaden.

Email an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

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