...und keiner weiß, was auf dem Spiel steht

Tsipras beteuert, es gehe am Sonntag nicht um die Euro-Mitgliedschaft.

Stellen Sie sich vor, es ist Referendum – doch keiner weiß, worüber abgestimmt wird. Natürlich weiß man das, sagen Sie, und haben damit freilich recht: Es geht um das offiziell nicht mehr gültige Angebot der Gläubiger, das die griechische Regierung in schlechter Qualität eingescannt und auf die Internetseite zu dem mit Spannung erwarteten Votum am Sonntag gestellt hat. Hier können sich interessierte Bürger über technische Details wie die Reform des Finanzverwaltungsgesetzes und parametrische Budgetmaßnahmen informieren.

Tsipras und seinen Anhängern ist bewusst: Am Ende werden ganz andere Parameter entscheidend sein. Die persönliche Situation jedes Einzelnen, Arbeitslosigkeit, Hunger, Angst – und die quälende Frage, was von beiden Alternativen die weniger schmerzvolle ist: weitere, bittere Sparmaßnahmen zu akzeptieren oder endgültig in die Pleite zu rutschen. Eine einfache Antwort gibt es nicht.

Der Syriza-Chef hat seinem Volk die Last der Entscheidung über Griechenlands Zukunft aufgebürdet. Nun sollte er wenigstens ehrlich sein und endlich bekennen, dass bei dem historischen Referendum nicht weniger als die Mitgliedschaft des Landes in der Währungsunion auf dem Spiel steht. Und dieses Szenario, so viel ist sicher, hätte weit ungewissere Konsequenzen als ein Pakt mit den Gläubigern.

anna.gabriel@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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